Erich Waaser war der führende Kopf beim Bau des Rheinufertunnels Der Untergrund-Boss

Diplom-Ingenieur Erich Waaser, gebürtiger Düsseldorfer, verantwortete in den 1990er-Jahren die Tieflegung der Rheinuferstraße. Ein Projekt, das das Gesicht der Stadt nachhaltig veränderte.

 Erich Waaser am vergangenen Donnerstag vorm Rheinufertunnel – „So etwas würde sich heute niemand mehr trauen.“

Erich Waaser am vergangenen Donnerstag vorm Rheinufertunnel – „So etwas würde sich heute niemand mehr trauen.“

Foto: ANNE ORTHEN

Am 15. Dezember 1993 rollten die ersten Autos durch den Rheinufertunnel, exakt drei Jahre und neun Monate nach Baubeginn und exakt zum angekündigten Termin. Ein Jahr zuvor hatte Projektleiter Erich Waaser ein großes Transparent über dem Nordportal anbringen lassen, das den Countdown von 365 Tagen verkündete und täglich von Hand geändert wurde. Eine solche Vorhersage würde sich bei einem Projekt dieser Größenordnung heute wohl niemand mehr trauen. Er, der Untergrund-Boss, der auch den Uni-Tunnel, das Werstener Kreuz und die Münchener Straße gebaut hat, schon.

Denn Waaser hatte zu jenem Zeitpunkt keine Zweifel, den Stichtag halten zu können. „Wenn man will, klappt alles“, sagt er. Dass auch der Kostenrahmen von 550 Millionen D-Mark nicht gesprengt wurde, war ein weiteres Phänomen bei dem Bau des Tunnels, der vom Düsseldorfer Architekten- und Ingenieurverein (AIV) zum „Bauwerk des Jahrhunderts“ gewählt wurde.

30 Jahre lang, von 1969 bis 1999, war Erich Waaser beim Baudezernat der Stadt angestellt. Projekte für insgesamt 1,2 Milliarden D-Mark hat er in dieser Zeit verantwortet. Der Rheinufertunnel war sein wichtigstes. 55.000 Autos quälten sich damals Tag für Tag im Stop and Go die Rheinuferstraße entlang; die Stadt war vom Fluss abgeschnitten. Der knapp zwei Kilometer lange Tunnel würde sie an den Rhein rücken. Er sollte das größte Vorhaben zur Verkehrsberuhigung werden, das jemals in der Landeshauptstadt realisiert wurde.

1986 wurde mit der Planung begonnen, nur drei Jahre später stand der Bau- und Finanzierungsbeschluss, laut Waaser ein schon für damalige Verhältnisse „einmaliges Tempo“. Vier Ingenieurbüros sollten beteiligt sein, was der Chef-Koordinator schleunigst zu verhindern wusste – zu unübersichtlich. „Ich habe gesagt, das mache ich nicht.“ Stattdessen eröffnete er an der Reuterkaserne ein Kontor auf der Baustelle mit ihm als verantwortlichem Dirigenten, zog aus den vier Ingenieurbüros die maßgeblichen Kräfte ab und war permanent vor Ort; Arbeitstage von zehn bis zwölf Stunden waren die Regel. Waaser ordnete drei Baustellenbesprechungen pro Woche an, ließ sich berichten, verteilte die Aufgaben. Bei ihm lag die alleinige Entscheidungskompetenz: „Mit selbstbestimmtem Arbeiten kann man Berge versetzten“, so der Ingenieur.

Kompetenzbündelung war das eine, Kommunikation das andere. Erich Waaser ist ein Mann der kurzen Wege: „Ich habe immer den direkten Kontakt zu den Entscheidungsträgern gesucht.“ Und nicht nur zu diesen. Man müsse immer wieder mit den Menschen reden, sagt er, zuhören, erklären, überzeugen, Lösungen suchen. Etwa mit den Altstadtwirten, die sich vehement gegen das Projekt stemmten. Begründung: Flösse der Verkehr unterirdisch, würden die Leute die Altstadt nicht sehen. „Die konnte man vorher auch nicht sehen“, sagt Waaser trocken. Mindestens zehn Gespräche habe er aber trotzdem führen müssen. Denkmalschutz sei ebenfalls ein großes Thema gewesen; dass historische Funde ans Tageslicht kommen würden, galt von vornherein als so gut wie sicher. Waaser holte Mitarbeiter der Denkmalbehörde ins Boot, ein Archäologen-Team nahm in enger Abstimmung mit den Bauverantwortlichen seine Arbeit auf.

Wie bei Großprojekten dieser Art nicht anders zu erwarten, gab es auch beim Bau des Rheinufertunnels Unvorhersehbares und Beinahe-Katastrophen. Der Projektleiter erinnert sich noch heute mit Schaudern an eine Baugrube, die nur 50 Zentimeter entfernt war vom ehemaligen Theresienhospital mit der denkmalgeschützten Josefskapelle. Auf Höhe des Rathausufers sackte plötzlich die Fassade eines Hauses ab, was fast zur Stilllegung der kompletten Baustelle geführt hätte. „Nicht zu verantworten“, befand Waaser und entschied Beton-Injektionen ins Fundament zur Stabilisierung des Gebäudes. Eine der größten Herausforderungen war der Bau des Doppelstocktunnels: Auf 1,2 Kilometern verlaufen zwei Röhren übereinander – oben in Richtung Norden, unten in Richtung Süden. Gebaut wurde zuerst die obere, dann die untere: zur Schonung des Grundwassers unter Druckluft und bei Temperaturen von 40 °C.

In Kürze feiert Erich Waaser seinen 84. Geburtstag, doch ans Aufhören denkt er nicht. Vor 20 Jahren, gleich nach seinem Ausscheiden aus dem städtischen Dienst, machte er sich selbstständig, immer mit eigenem Büro. Das jetzige auf dem Areal Böhler ist sein drittes; zuhause am Küchentisch zu arbeiten, ist nicht sein Ding. Überwiegend erstellt er nun Baugutachten. Die Arbeit mache noch Spaß, sagt er, „könnte aber weniger sein“. So richtig glaubt man ihm das nicht.

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