Ein Lyriker mit Herz und Handicap „Offen sein“

Irgendwann im Gespräch sagt Winfried Günther: „Die einfache, für alle verständliche Sprache ist am schwierigsten.“ Man darf dem Mann, der in Reisholz wohnt, die Expertise abnehmen. Seit 2013 veröffentlicht er regelmäßig Gedichte in einer renommierten Text-Sammlung und beschäftigt sich auch ansonsten mit der Kommunikation der Menschen. Der 57-Jährige ist Lyriker mit Handicap und Herz.

Winfried Günther auf seinem Balkon mit der 2013-Ausgabe der „Frankfurter Biblithek“ der Brentano-Gesellschaft, in der sein erstes Gedicht „Der Baum“ (siehe Kasten) veröffentlicht wurde - „Miteinander reden, heißt voneinander lernen.“

Foto: Stefan Pucks

Günthers Beine sind aufgrund eines Zwischenfalls bei seiner Geburt gelähmt. Er ist im Regelfall auf den Rollstuhl angewiesen, in seinem Wohnzimmer, dessen Regale mit einem großen Schwung vielthematischer Literatur besetzt sind, steht ein Rollator, den er - allerdings mit großem Kraftaufwand - vereinzelt nutzt. Er spielt von Kindheitstagen an bis heute leidenschaftlich Tischtennis („Das verlernt man nie“). Er war über 30 Jahre bei der Werkstatt für angepasste Arbeit in Reisholz tätig, ist jetzt Rentner.

Für Texte und Reime hat er sich bereits in der Schulzeit interessiert, erzählt er, als er einen dicken, blau eingeschlagen Band aus dem Regal nimmt. Die Ausgabe der jährlich erscheinenden zeitgenössischen Lyrik-Sammlung der „Frankfurter Bibliothek“ der Brentano Gesellschaft aus dem Jahr 2013. Die Bibliothek steht in vielen europäischen Hauptstädten, auch in Washington. Hier hat er erstmals veröffentlicht, dann in den folgenden Jahren immer wieder. „Der Baum“ von 2013 fasst gut zusammen, was er mit seinen Gedichten ausdrücken möchte: „Zuversicht, Ruhe, Gelassenheit - aber auch Kraft, Herausforderungen des Lebens anzunehmen“, zählt Günther auf. Denn die hätten alle Menschen, natürlich nicht nur die mit einer Körperbehinderung. „Die sind hier und da anders.“ Inhaltlich schöpft er dabei „aus dem persönlichen Erleben, dem Blick auf Gesellschaft und Welt, Erinnerungen.“

Sein Herz hängt zudem „am aufeinander Zugehen seiner Mitmenschen.“ Gerade jetzt, in Zeiten offenkundiger Zerwürfnisse. „Miteinander reden, heißt voneinander lernen. Wir müssen offen sein, unser Umfeld positiv machen, die Nachbarschaft leben.“ Und das so, dass man einander versteht. Er lächelt: „Einfache Sprache ist am schwierigsten.“

Winfried Günther blickt jedoch auch über die Gedichtzeile und das persönliche Gespräch hinaus. Er engagiert sich im Behindertenrat der Stadt („Gleich werde ich zu einem Treffen dort abgeholt“), unterstützte die Einrichtung und Beibehaltung der 2014 erstmals aufgebauten Rosenmontagstribüne für Menschen mit Handicap. Er setzt sich für den Erhalt sozialer Projekte, das „Bürgerhaus Reisholz“ nennt er stellvertretend, ein. Und er ist stellvertretender Schriftführer im inklusiven Karnevalsverein „Gemeinsam Jeck“. Beim Abschied fragt er, ob es möglich sei, eine Spendenverbindung für Letzteren zu veröffentlichen. „Da sind wir natürlich auch drauf angewiesen.“ Versprochen! Winfried Günther lächelt, nicht zum ersten Mal an diesem Morgen...

Spendenkonto

„Gemeinsam Jeck“:

Stadtsparkasse Düsseldorf IBAN DE86 3005 0110 1007 6337 93

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