1. Düsseldorf

Urologe Dr. Axel Schindler über Fortschritte in der Krebsbehandlung

Urologe Dr. Axel Schindler über Fortschritte bei der Krebsbehandlung : „Wir verlängern Leben“

Die Paracelsus-Klinik in Golzheim gehörte, laut Bewertungs-Liste des Magazins Focus, 2019 zu den Top-Krankenhäusern bei der Behandlung von Prostatakrebs. Der Düsseldorfer Anzeiger sprach mit Dr. Axel Schindler, Oberarzt und Facharzt für Urologie in Golzheim, über die Fortschritte bei der Behandlung von Krebserkrankungen, Möglichkeiten und Hindernisse bei der Vorbeugung sowie die irreführende Bezeichnung „Männerarzt“.

Herr Dr. Schindler, eines vorweg – die landläufige Bezeichnung des Urologen als „Männerarzt“ ist offenbar zumindest irreführend ...

Genau. Wir haben Organsysteme, um die sich der Urologe durchaus nur bei Männern kümmern kann – Penis, Hoden, Prostata, die gibt es bei Frauen bekanntlich nicht. Aber es gibt Eingriffe, die wir bei beiden Geschlechtern vornehmen, wie etwa Steinleiden in den Nieren. Dazu kommen fachübergreifende Bereiche, wenn es zum Beispiel um Inkontinenz-Behandlungen, vor allem auch bei jüngeren Frauen, etwa nach Schwangerschaften, geht.

Zu Ihren Patienten können auch Kinder gehören?

Absolut, Kinder können urologische Probleme haben. Das geht los bei den ganz Kleinen, bei denen etwa festgestellt wird, dass der Hoden nicht ganz in den Hodensack gewandert ist. Da müssen wir unter Umständen noch vor dem Erreichen des ersten Lebensjahres operieren. Dazu kommen oft Vorhautverengungen, die sogenannten Phimosen. Bei Mädchen behandeln wir Blasenentleerungsstörungen, es gibt angeborene Fehlbildungen, die immer wieder zu Infekten führen können.

Was sind in Ihrem Fachbereich die häufigen Erkrankungen, was sind die gefährlichen?

Wenn Sie eine Unterscheidung machen wollen, können wir auf der einen Seite die gutartigen Diagnosen und andererseits die bösartigen Erkrankungen betrachten. Wir haben auf ersterem Feld vielfach mit den bereits angesprochenen Steinleiden zu tun. Das betrifft Harnleiter, Blase oder eben Nieren. Dazu kommen ältere männliche Patienten mit Prostataproblemen, die etwa zu Schwierigkeiten beim Wasserlassen führen. Frauen leiden oft an Beckenbodenschwächen, Urinverlust und häufigem Harndrang. Andererseits haben Sie die onkologischen Erkrankungen, sprich Krebs, die im Prinzip alle Organbereiche betreffen. Von den Nieren oder Nebennieren angefangen bis runter zur Harnröhre. Die Genitalien, etwa Hodenkrebs, von dem insbesondere eher jüngere Menschen betroffen sind. Dazu kommen diverse entzündliche Erkrankungen.

Wie sieht es mit den Behandlungs- und auch Heilungschancen etwa von Prostata- oder Hodenkrebs aus?

Man kann nicht alles über einen Kamm scheren. Sie haben Stadien, die werden anfänglich erkannt, da haben Sie natürlich gute Heilungschancen, wir sehen aber leider auch bereits metastasierte Patienten im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf, vor allem beim Prostatakrebs. Der Hodenkrebs gilt allgemein als gut behandelbar, alles in allem kann man hier eine Heilungsquote von über 90 Prozent anlegen.

Gibt es veranschaulichende Zahlen?

Das Robert-Koch-Institut hat im Rahmen von Epidemiologien für das Jahr 2012 im Bereich der Nierentumoren 15.000 Neuerkrankungen in Deutschland festgestellt. Beim Prostatakrebs sieht das schon bedeutend höher aus, wir kommen auf eine mehr als vierfache Zahl.

Und hier ist der Zeitpunkt der Krankheitserkennung maßgeblich entscheidend!?

Ja, die Behandlung von Prostatakrebs ist sehr abhängig vom Stadium. Inzwischen sind wir aber auch bei den bereits fortgeschrittenen Zeitpunkten an einem Punkt angekommen, an dem wir den Krankheitsverlauf immer weiter hinauszögern können. Sei es durch eine Hormon- oder Chemotherapie. Wenn keine Kuration, also Heilung, mehr möglich ist, geht es auf die sogenannte palliative Schiene. Pallium ist Latein, bedeutet Mantel, palliare – mit dem Mantel umhüllen. Wir versuchen also, Lebensqualität zu erhalten. Der Patient soll keine Schmerzen haben, sein Leben mit der Erkrankung mit möglichst wenig Beschwerden fortsetzen können – allerdings ohne Aussicht auf eine definitive Heilung.

Wie lautet hier Ihre Zukunftsprognose?

Nun, in den 1980er, 1990er Jahren war HIV noch zwangsläufig ein Todesurteil. Mittlerweile sind wir dort schon mehr im Bereich einer chronischen Erkrankung, mit der man ganz normal alt werden kann. Dort werden wir vielleicht auch beim Prostatakrebs landen, in dem wir die fortgeschrittenen Stadien so weit ziehen können, dass die Menschen ihre normale Lebenserwartung erreichen, ohne, dass sich der Krebs einmischt. Allerdings auch ohne mich hier jetzt zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen.

Stichwort Vorbeugung: Welche Möglichkeiten der Prävention gibt?

Frauen kommen schon in jungen Jahren in die Gebärmutterhalskrebs- oder später auch Brustkrebs-Prävention. Da gibt es strukturierte Vorsorgeprogramme. Für die urologischen Organsysteme – bis auf die Prostata – gibt es im Grunde genommen kein Vorsorgeprogramm. So ist etwa ein umfassendes Screening bei Männern zwischen 16 und 40 auf Hodenkrebs nicht existent. Da ist dann ein Abtasten bei sich selbst und bei möglichen spürbaren Auffälligkeiten – etwa ein dickerer Hoden – der Weg zum Haus- und dann zum Facharzt angezeigt. Für die Prostata dagegen sieht der Gesetzgeber für Männer ab 45 Jahren einen jährlichen Besuch beim Hausarzt oder Urologen vor.

Was gibt es noch?

Spannend ist der PSA-Wert, ein Blutwert, den man bestimmt und der als sogenanter Tumormarker fungiert. Man kann verlässlich sagen, wenn dieser Wert hoch ist oder außerhalb des Normbereichs, ist etwas mit der Prostata. Das muss kein Krebs, kann auch eine entzündliche Erkrankung sein.

Wird diese Präventionsform angewandt?

Sie sollte seinerzeit, so um das Jahr 2016, dann auch Eingang in die Vorsorgeprogramme erhalten. Das geschah aber aufgrund damals vorliegender Studien bezüglich der darin angezweifelten Wirksamkeit des Screenings nicht. Die Blutwertbestimmung ist aktuell noch immer eine IGeL-Zusatzleistung. Wir glauben, dass viele Leute durch dieses nicht bezahlte PSA-Screening die Vorsorge nicht wahrnehmen, ihren möglicherweise schon auffälligen Wert nicht kennen und später dann mit Beschwerden und Krebserkrankungen bei uns vorstellig werden und dann vielleicht nicht heilbar sind. Eine Kassenleistung ist meiner Meinung nach längst fällig.

Gibt es männliche Vorbeuge-Unlust?

Die Forderung unserer Fachgesellschaft, dass jeder Mann ab 45 Jahren sich jährlich einmal zum Urologen und zur Prostata-Vorsorgeuntersuchung begeben sollte, dürfte – ohne, dass ich genaue Zahlen habe – eher zu einem geringeren Prozentsatz ankommen. Da wissen viele sicher nichts von entsprechenden Programmen. Da sind dann eher entsprechende Vorerkrankungen in der Familie ein Trigger, sich untersuchen zu lassen. Wir können nur appellieren und das Bewusstsein schaffen: Es gibt Vorsorge, und die sollte wahrgenommen werden.

Wie sieht der Weg für Betroffene grundsätzlich aus?

De erste Gang ist der zum Hausarzt. Der ordnet das nach Fachrichtung ein, leitet dann weiter an den Facharzt – in unserem Fall an den Urologen. Der behandelt das, was ambulant möglich ist – medikamentös, vielleicht auch mittels kleinerer diagnostischer Eingriffe wie einer Prostata-Biopsie oder Blasen-Spiegelung. Wenn der niedergelassene Arzt sein Repertoire ausgereizt hat, kommt die Überweisung mit einem Behandlungsauftrag in die Klinik. Von hier aus geht es dann zur Nachsorge zurück zum Urologen.

Wie wichtig ist eine Auszeichnung wie die des Focus für eine Fachklinik? Schafft das zusätzliches Patienten-Vertrauen?

Für uns ist natürlich gut, wenn wir als Klinik einen guten Eindruck hinterlassen, aber eben auch von außen schon beworben werden. Bei den großen onkologischen Operationen ist es schon so, dass die Patienten vermehrt dahin gehen, wo die Erkrankung vielfach behandelt wird, wo Expertisen vorliegen, die die Qualität des Hauses auf diesem Sektor belegen. Wir bieten hier das komplette Spektrum der Urologie bis auf die Nierentransplantation an, arbeiten mit recht neuen Früherkennungs-Techniken wie etwa der Fusionsbiopsie. Kliniken wie die unsere gewinnen gerade wieder Terrain zurück, das in der Vergangenheit an große High-Quality-Behandlungszentren etwa in München oder Hamburg verloren gegangen ist.