Interview mit Mini EM-"Losfee" Thomas Allofs "Ich hab' noch Asche in der Wange"

Mini EM-"Losfee" Thomas Allofs erzählt im Interview über seine Anfänge als Fußballer, Bestechungsvorwürfe nach seinem Wechsel zur Fortuna und Überbleibsel aus seiner Vergangenheit auf Hartplätzen

 Früher eiskalt vorm Tor, jetzt „eiskalt“ im Geschäft. Thomas Allofs (l.) mit Oliver Westerbeek (m., mit Mitarbeiter Florian Neumann) in ihrer Eis-Filiale in Ratingen.

Früher eiskalt vorm Tor, jetzt „eiskalt“ im Geschäft. Thomas Allofs (l.) mit Oliver Westerbeek (m., mit Mitarbeiter Florian Neumann) in ihrer Eis-Filiale in Ratingen.

Foto: Dirk Herrmann

Zum Gespräch verabredet sind wir mit Thomas Allofs in der Ratinger City. Hier betreibt er mit Oliver Westerbeek, ebenfalls ehemaliger Bundesligaspieler, eine Yoghurteis-Filiale. Westerbeek setzt sich dazu...

Thomas Allofs, erinnern Sie sich, wann Sie das erste Mal gegen einen Fußball getreten haben?

Wahrscheinlich bin ich vom Wickeltisch geflogen, hab einen Ball gesehen und bin drauf gestürzt (lacht)…Im Ernst. Ich habe als Kind auf der Straße angefangen. Damals war das in Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim noch möglich. Garagen oder Mülltonnenkästen waren die Tore. Eine F-Jugend, so wie heute, gab es damals noch nicht. Mit fünf Jahren in einen Verein gehen — das ging nicht.

Wie war es bei Ihnen?

Ich bin dem TuS Gerresheim mit sieben Jahren beigetreten — in der D4. Davor habe ich eben in Straßenmannschaften gekickt. Insgesamt waren die Zustände für Fußballer dennoch paradiesisch.

Ihr erstes Tor im Verein?

Kann ich wirklich nicht sagen. Ich kann mich aber an meine ersten Fußballschuhe erinnern: Wir haben fast ausschließlich auf Asche gespielt und ich lief mit knöchelhohen "Uwe Seeler"-Schuhen mit Stahlkappe auf. Die waren schier unverwüstlich. Danach bin ich auf "Franz Beckenbauer" umgestiegen. Mein Idol. Aber: Stollenschuhe - auf Ascheplatz. Die habe ich so sehr runtergelaufen, bis dass man die Stollen nicht mehr herausdrehen konnte. Meine Eltern waren begeistert…

Fußball auf Asche, ein Relikt aus der Vergangenheit…

Unbedingt. Es gab rote Asche, grobkörnige, manchmal waren auch ein paar Steine drin. Wir haben in Gerresheim auf schwarzer Asche oder Schlacke gespielt. Üble Schürfwunden waren stetige Begleiter. Das hat damals immer höllisch gebrannt. Ein bisschen davon habe ich noch heute in meiner Wange.

Oliver Westerbeek: Ich habe auch noch was im Oberschenkel.

Herr Allofs, wie lauteten Ihre Stationen vom Gerresheimer Stadtteilkicker zum international agierenden Nationalspieler?

Mit 14 bin ich in der B-Jugend zur Fortuna gewechselt. Zusammen mit meinem Bruder Klaus, der drei Jahre älter ist und ein Jahr zuvor zur Fortuna gewechselt war, hatte man mich — heute würde man sagen — "gescoutet". Ein Trainer, der aus Gerresheim kam und in der Jugendarbeit der Fortuna tätig war, sorgte für den Wechsel.

Wie wurde das in ihrem Heimatclub aufgenommen?

Nun, stolz war zu Anfang kaum einer. Es gab eher böses Blut. "Wie könnt ihr da hingehen", lautete die vorwurfsvolle Frage. Oder: "Ihr habt doch einen Fernseher bekommen, damit ihr wechselt". Das war vor allem auch für meinen Vater keine einfache Zeit, da er in einigen Funktionen beim TuS tätig war.

Oliver Westerbeek: Es hat sich nicht so viel geändert, die Großen fressen die Kleinen. Bayern holt Dortmunder Spieler, Dortmunder holt Gladbacher und damals die Fortuna eben Gerresheimer…

Zurück zu Thomas Allofs‘ Stationen…

Nach Fortuna Düsseldorf, wo ich mit einem Amateurvertrag angefangen und nach einem Jahr dann den Profivertrag bekommen hatte, kam 1982 Kaiserslautern. Dort war ich vier Jahre, dann drei Jahre in Köln, ein halbes Jahr in Straßburg in Frankreich und dann zurück zur Fortuna.

Sie haben auch nach ihrer aktiven Karriere immer mal wieder ins Fußballgeschäft hinein gerochen. Was unterscheidet die Möglichkeiten früherer talentierter Spieler, zu einem großen Verein zu wechseln, zu denen von heute?

Das hat sich mit Sicherheit geändert. Allein das Netz von Spielerbeobachtern oder Scouting-Abteilungen der Klubs ist viel dichter geworden. Dadurch ist natürlich auch eine umfassendere Einschätzung von Talenten möglich. Dennoch: Heute wie damals setzen sich am Ende dann in der Regel auch die Besten durch. Viele springen da zwar auf den Zug aus, doch in den Nachwuchs-Teams von im Jugendbereich erfolgreich operierenden Vereinen, wie etwa in Mönchengladbach, Leverkusen und zunehmend auch Fortuna Düsseldorf, gibt es Kader von 20 bis 25 Spielern — da fallen viele durchs Raster oder spielen erst gar nicht. Da verliert der eine oder andere Frustrierte schon mal die Lust am Fußball. Im Stammverein der Größte und dann "gescheitert".

Bei Ihnen war es anders?
Ich bin erst in der A-Jugend zur Jugendnationalmannschaft gekommen, hatte vorher nie in einer Auswahl gespielt. Da war der Druck nicht so hoch wie für heutige Talente, die unheimlich viel mit ihren Auswahlteams unterwegs sind, viele Spiele machen. Ich kann mir schon vorstellen, dass der eine oder andere, der das so durchläuft, mit 18 oder 19 ein Stück ausgebrannt ist.

Oliver Westerbeek und sie betreiben seit knapp zwei Jahren eine gemeinsame Spieleragentur. Betreuen, beraten junge Spieler aber auch Profikicker bei deren Karriere. Was ist das für eine Aufgabe, speziell auch im Hinblick auf sehr ehrgeizige Eltern…?

Es ist wichtig, wie das Elternhaus tickt. Die Jungs, so ab 12 oder 13, haben nur Fußball im Kopf, was gut ist und spielen wie gesagt schon in Auswahlteams. Problematisch wird es dann, wenn der Ehrgeiz der Eltern Überhand nimmt.

Oliver Westerbeek: Wir arbeiten bei uns eigentlich eher mit etwas älteren Spielern so ab 17 zusammen. Dennoch gab es auch bei uns einen Fall, wo die überzogenen Erwartungen des Umfelds uns davon abhielten, uns auf diesen Spieler einzulassen. Es gibt da schon Erziehungsberechtigte, die meinen, Situationen auf dem Weg in den Profifußball richtig einschätzen zu können. Da wird der talentierte Kicker einer Familie mit sechs Kindern schnell zum Heilsbringer. Eine Drucksituation, an der man schon zerbrechen kann. Wir versuchen, offen zu arbeiten, das was möglich ist zu tun, aber am Ende dann auch reinen Wein einzuschenken, wenn es nicht reicht.

Allofs: Man sieht ja die Quote, wer in der U19 an die Bundesliga heranrückt und dann nach ein paar Jahren wirklich dauerhaft dort spielt. Die ist verschwindend klein, gerade auf einem internationalen Markt wie dem Profifußball. Das ist schlichtweg nicht so einfach.

Stichwort Mini EM, das F-Jugend-Turnier, das wir am kommenden Wochenende vor uns haben. Was halten sie generell von solchen Jugendturnieren?

Turniere, etwa zu Pfingsten oder zu Ostern waren immer ein Highlight. Meistens ist man dann sogar ein paar Tage weg gefahren. Was Schöneres gibt es kaum. Und bei der Mini EM, wo eine Mannschaft Italien sein kann, oder Frankreich oder sogar Deutschland, das ist toll. Vor allem, dass ich den Sportfreunden Gerresheim, von deren Platzanlage ich in 200 Meter Luftlinie Entfernung aufgewachsen bin, die deutsche Mannschaft zulosen durfte — obwohl der TuS und die Sportfreunde immer richtige Konkurrenz waren.

Aktuell führen Sie mit Geschäftspartner Oliver Westerbeek eine Yoghurteis-Filiale in der Ratinger City. Deshalb eine Frage zum Schluss: Was war Ihnen als kleiner Junge wichtiger, ein Ball oder ein Eis?

Westerbeek: Der Fußball und das Eis als Belohnung.

Allofs: Nee, nur der Ball!

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