Stichwahl - OB-Kandidat Thomas Geisel im Interview „Großstadt für alle!“

Oberbürgermeister-Kandidat Thomas Geisel im Gespräch mit dem Düsseldorfer Anzeiger.

 Oberbürgermeister Thomas Geisel - „Zuversicht, das Ding auch diesmal zu drehen.“

Oberbürgermeister Thomas Geisel - „Zuversicht, das Ding auch diesmal zu drehen.“

Foto: Dirk Herrmann

Herr Geisel, wie 2014 liegen Sie vor der Stichwahl gegen einen CDU-Konkurrenten zurück. Vor sechs Jahren wurden Sie Oberbürgermeister. Wie viel Bedeutung messen Sie diesem Umstand heute bei?

Es gibt mir Zuversicht, dass wir das Ding auch diesmal drehen. Ich habe zudem den Eindruck, dass viele Menschen, darunter meine Unterstützer und Parteifreunde, motiviert sind, denselben Coup wie 2014 zu landen. Es gibt einen unbedingten Siegeswillen! Gleichwohl ist die Ausgangslage für mich nicht einfach. Das Rennen wird auf den letzten Metern entschieden.

Sie haben das Duell am Sonntag als „Richtungswahl“ bezeichnet. Was sind aus Ihrer Sicht die gravierenden Unterschiede zwischen Ihrer Stadtpolitik und der Ihres Herausforderers?

Herr Keller ist in der Verkehrspolitik tendenziell ein Mann der 1990er Jahre. Sein Grundthema ist das  ‚staufreie Düsseldorf’, der Autoverkehr muss rollen, die ‚grüne Welle’ perfektioniert werden. Ich wundere mich aber darüber, dass er einerseits sagt, der Verkehr müsse fließen, die Umweltspur gehöre weg, gleichzeitig aber auch das Radhauptwegenetz umsetzen will. Dieses würde den Autos Fahrspuren komplett nehmen. Die  Umweltspuren können dagegen von Radfahrern und zumindest noch von Bussen, E-Fahrzeugen und nach meiner Vorstellung auch von Fahrgemeinschaften genutzt werden. Das sind Positionen, die in sich widersprüchlich sind. Nein, wir brauchen eine echte Mobilitätswende, wir müssen den Verkehrsmitteln, die wenig Platz brauchen, ökologisch sind, wenig Krach machen den Vorrang einräumen. Also dem ÖPNV und dem Fahrrad. Und insofern sind die Schwierigkeiten rund um die verzögerten Lieferungen von neuen Rheinbahn-Fahrzeugen extrem ärgerlich. Wir schauen jetzt genau hin, wie können wir hier optimales Vertrags-Management und natürlich eine zeitnahe Unterrichtung des Aufsichtsrates sicher stellen, wenn irgendwo etwas schiefgeht.

Wo setzen Sie sich thematisch noch ab?

Beim Wohnungsbau. Ganz klar, Düsseldorf muss Großstadt für alle bleiben. Es darf keine Frage des Geldbeutels sein, ob man sich die Stadt leisten kann. Von Herrn Keller höre ich, dass er es mit den Nachbarkommunen lösen will, in Düsseldorf sei die Grenze des Wachstums erreicht. Das klingt mit etwas anderen Worten ein wenig nach Dirk Elbers’ Formel: ‚Wer sich Düsseldorf nicht leisten kann, der soll eben ins Umland ziehen’. Ich kann mich damit nicht anfreunden, weil auch die Attraktivität dieser Stadt dramatisch einbrechen würde, wenn diese bunte Vielfalt verloren geht und der Feuerwehrmann nicht mehr neben dem Uni-Professor wohnen könnte.

Die angesprochenen Umweltspuren, Pop up-Radwege, Farid Bang-Video – man konnte Ihnen zuletzt nicht nachsagen, dass sie Konfrontationen nach als unpopulär empfundenen Maßnahmen aus dem Weg gegangen sind.  Haben Sie damit Teile Ihres Wählerpotenzials vergrätzt?

Ich finde es problematisch, wie ein Thema Umweltspur hier offenbar den Kommunalwahlkampf beherrscht. Wichtiger scheint mir, dass uns derzeit etwa 1500 Plätze in der stationären Pflege fehlen. Wir sprechen mit Wohlfahrtsverbänden und privaten Betreibern, um den wachsenden Bedarf gemeinsam zu stemmen, denken zudem aber auch über Einrichtungen in städtischer Trägerschaft und damit einhergehende Grundstückskäufe nach.

Dennoch noch einmal zurück...

Die Umweltspur geht als Teil eines Luftreinhalteplans der Bezirksregierung auf eine Initiative der NRW-Umweltministerin und der Regierungspräsidentin zurück, die in einen Verkehrsversuch mündete, um ein Dieselfahrverbot zu verhindern. Das war ziemlich einhelliger Konsens, angeführt vom Ministerpräsidenten über das Handwerk und ich würde sogar sagen quer durch alle Parteien. Ist der Versuch beendet und das Ergebnis liegt vor, kann man sich natürlich überlegen: Will man die Spuren, die  ihr Ziel der Absenkung des Stickoxid-Grenzwertes etwa auf der Corneliusstraße erreicht haben, beibehalten oder will man doch Fahrverbote riskieren oder bekommt irgendwann durch den Wegfall der ‚schmutzigen’ Diesel bessere Werte. Fakt ist: Man kann die Umweltspuren nicht einfach abschaffen und keine Alternative bieten.

Die Corona-Warnung des Deutsch-Rappers sorgte ganz besonders für Diskussionen..?

Damit habe ich tatsächlich Menschen vergrätzt. Ich mache mir den Vorwurf, das ich das im Vorfeld - insbesondere mit der SPD-Ratsfraktion - nicht vernünftig erörtert habe.

Corona bedingt wanderte der Wahlkampf diesmal unweigerlich verstärkt ins Digitale, in die notorisch aufgeheizten Sozialen Medien. Ihre Erfahrungen?

Dazu kann man ziemlich viel sagen. Es gibt natürlich keine echte inhaltliche Kontrolle. Es schaukelt sich dort gerne hoch, Themen werden teilweise hysterisch aufgewertet. Ein sachlicher politischer Diskurs ist darum sicherlich nicht ganz einfach.

Das Jahr ist stark gekennzeichnet durch die Pandemie. Wie viel schwerer wird es für einen Oberbürgermeister angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen, einbrechender Gewerbesteuer, drohender Pleiten,  polarisierter Ansichten zu Schutzverordnungen – eine Großstadt wie Düsseldorf zu managen?

Die starke Polarisierung in der Corona-Frage ist in der Tat schwierig. Das reicht vom strengen Befürworter der Einschränkungen bis zum Verschwörungstheoretiker. Auch hier ist eine sachliche Einordnung des Themas eine Herausforderung. Wir wollen in Düsseldorf einen verantwortungsvollen Ermöglichungs-Modus unter Beibehaltung der erprobten Hygieneregeln, nicht aber, dass die Angst regiert. Ich glaube, dass uns das in Düsseldorf bislang recht vorbildhaft gelungen ist.

Und das Geld?

Klar ist, dass wir auf dem finanziellen Sektor erhebliche Einbrüche bekommen. Mit der Messe und dem Flughafen gibt es zwei Beteiligungsunternehmen, die mit zu den Hauptleidtragenden gehören. Das geht nicht spurlos auch an einer finanziell hervorragend aufgestellten Stadt wie Düsseldorf vorbei. Dennoch - wir sollten nicht anfangen, unser Investitionsprogramm zu kürzen, zwei Gänge beim Schulbauprogramm, der Kulturbausanierung oder der Verkehrsinfrastruktur zurückschalten. Das wäre kontraproduktiv, weil wir die negativen Tendenzen zusätzlich verstärken würden. Wir werden 2020 sicher ein deutliches Defizit im Haushalt haben, auch im Finanzplan natürlich, aber das müssen wir hinnehmen. Wir dürfen keine Abwärtsspirale in Gang bringen, kämpfen aber auch darum, dass die vollmundigen Hilfe-Ansagen von Bund und Land, vor allem hinsichtlich der Kompensation der ausbleibenden Gewerbesteuern, Wirklichkeit werden.

Sieht man sie - im Erfolgsfall - erneut als OB mit einer knappen „Ampel“-Mehrheit oder sind Sie auch als Stadtoberhaupt einer satten Schwarz-Grünen Rats-Mehrheit vorstellbar?

Grundsätzlich bin ich als Oberbürgermeister ansprechbar für alle demokratischen Parteien. Die Ampel war eine erfolgreiche Ratsmehrheit. Ich kann mir zudem noch eine Reihe von Projekten vorstellen, die wir in dieser Konstellation gestemmt bekommen. Der Köcher der Gemeinsamkeiten ist noch nicht erschöpft.

Was wird aus dem Stadtpolitiker Thomas Geisel, wenn es am Sonntag nicht langt?

Ich glaube, dass sich die Stadt in den vergangenen sechs Jahren sehr positiv entwickelt hat. Das solte Gegenstand der Wahlentscheidung am Sonntag sein. Klappt es nicht, geht das Leben weiter. Aber ich bin gekommen, um zu bleiben.

(SP)

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