Stichwahl - OB-Kandidat Dr. Stephan Keller im Interview „Mobilität schaffen!“

OB-Kandidat Dr. Stephan Keller im Gespräch mit dem Düsseldorfer Anzeiger.

 OB-Herausforderer Dr. Stephan Keller - „Die Köln-Kampagne hat nicht verfangen“. Foto: Andreas Bretz

OB-Herausforderer Dr. Stephan Keller - „Die Köln-Kampagne hat nicht verfangen“. Foto: Andreas Bretz

Foto: ANNE ORTHEN

Herr Keller, Sie gehen mit einem Vorsprung von rund acht Prozent in die Stichwahl am Sonntag? Nehmen Sie die Favoritenrolle an?

Ich habe mich zunächst einmal über das Ergebnis des ersten Wahlgangs gefreut. Das war in der Deutlichkeit vor rund sechs Monaten gewiss nicht denkbar. Wir hatten aber im Wahlkampf auch das Gefühl, dass die Stimmung für uns von Woche zu Woche günstiger wurde. Natürlich nehme ich die Favoritenrolle an, zumal die OB-Amtsinhaber im Land vielfach viel mehr Stimmen erhalten haben als Thomas Geisel. Ich gehe mit Rückenwind in die Stichwahl.

Ihr Konkurrent ist mit einigen umstrittenen Entscheidungen der vergangenen Monate zumindest in Verbindung gebracht worden, vor allem auf dem Gebiet der Verkehrspolitik. Eine erforderliche Mobilitätswende in deutschen Großstädten ist unstrittig, das sehen Sie grundsätzlich auch so. Doch wie sieht ihr Ansatz aus und wo grenzen Sie sich vor allem noch entscheidend gegenüber Thomas Geisel ab?

Ich setze darauf, dass es mir gelingen wird, die Mobilitätswende tatsächlich zu schaffen. Das ist viel weniger eine Frage von Politik als vielmehr die eines guten Managements. Thomas Geisels Wahlkampfschlager 2014 war, einen 5-Minuten-Takt bei der Rheinbahn einzuführen. Den haben wir bis heute nicht. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass viel über Verkehrswende geredet worden ist, ohne sie maßgeblich voran zu bringen. Das Einzige, was aus der puren Not eingeführt worden ist, sind Umweltspuren, die ihr Ziel nicht erreichen, aber einen großen Kollateralschaden mit sich bringen: Staus, die uns alle nerven, wirtschaftsfeindlich sind und auch die Luft nicht verbessern.

Ihre Alternativen?

Ich habe mir für die nächsten fünf Jahre vorgenommen, das so genannte Radhauptnetz zu verwirklichen, eine Konzeption für 300 km Fahrradwege in Düsseldorf. Davon sind bislang keine zehn Prozent verwirklicht. Selbst die Grünen, als Teil der Ampelkoalition sagen, dass wir hier viel zu langsam vorangekommen sind. Die Rheinbahn muss endlich gestärkt werden. Das Streckennetz erweitern, die 2014 vereinbarten und angekündigten neuen Linien - es waren drei an der Zahl, keine wurde umgesetzt - verwirklichen. Wir brauchen schnell baureife Planungen, um das bei Bund und Land bereitstehende Fördergeld in Anspruch zu nehmen. Und wir müssen sinnvolle Park & Ride-Stellplätze vor den Toren der Stadt schaffen, schon vor dem Staubeginn. Keine notorisch leerstehenden wie etwa den an der Münchener Straße. Das ist Aktionismus.

Mehr Radwege lassen sich einrichten, ohne den Autos Platz weg zu nehmen?

Nein, wir werden Abwägungsentscheidungen treffen müssen, öffentlichen Straßenraum auch mal neu aufteilen. Die Kunst wird sein, es so zu tun, dass man für den Radverkehr vernünftige rund 25 Prozent Verkehrsanteil erreicht. Da wird man auch Teile der von Pkws beanspruchten Räume zur Disposition stellen. Aber muss das immer im fließenden Verkehr sein? Man kann auch in ruhenden Verkehr Platz schaffen. Ich denke, dass man konkret an dem etwas verwilderten Parkstreifen an der Uniklinik entlang der Witzelstraße Raum für den Radverkehr schaffen könnte. Weniger Platz für Autos also durchaus ja, aber nicht so radikal wie mit den Umweltspuren, bei denen der Platz um die Hälfte reduziert wird. Die Entscheidung über diese Spuren - so ist es vereinbart - wollen wir in den neu gewählten Ratsgremien vornehmen. Und anders als Thomas Geisel suggeriert, können wir diese auch abschaffen, weil in seiner eigenen Verwaltungsvorlage ein Verfallsdatum steht. Ich plädiere als Alternative für eine den Verkehr dosierende Signalsteuerung.

Düsseldorf steht auch nach sechs Jahren ohne CDU in der Stadtregierung in aktuellen einschlägigen Städtebewertungen weltweit weiterhin in den Top 10 der lebenswertesten Städte. In welchen wichtigen Bereichen ist aus Ihrer Sicht dennoch entscheidend Luft nach oben?

Wir sind eine attraktive, lebenswerte Stadt, daran haben auch die vergangenen sechs Jahre nichts geändert. Aber es gibt noch viel mehr Potenzial, was wir heben können. Wir müssen uns verstärkt um die Bereiche Sicherheit und Sauberkeit kümmern. Hier liegt vieles im Argen, was dann durchaus auch negativ auf künftige Städtebewertungen durchschlagen könnte. Mir geht es dabei aber weniger um das Image, als um die Frage, ob Düsseldorf eine Stadt bleibt, in der sich alle wohlfühlen können. Deshalb will ich den kommunalen Ordnungsdienst verkoppeln. Ich möchte zudem den Digital-Standort Düsseldorf, bei dem wir in Rankings eher im unteren Drittel angesiedelt sind, mit einem flächendeckenden Glasfasernetz für den neuen Mobilfunkstandard 5G aufwerten.

Corona bedingt wanderte der Wahlkampf diesmal unweigerlich verstärkt ins Digitale, in die notorisch aufgeheizten Sozialen Medien. Ihre Erfahrungen?

Gute und schlechte. Ich habe einige sehr gut angenommene Live-Chats bei Facebook gemacht - mit bis zu 160 Teilnehmern. Das können sie bei einer Stunde Straßenwahlkampf kaum erreichen. Wir erleben unter unseren Aktivitäten auf diesen Kanälen jedoch auch eine Menge schräger Sachen - bis hin zu Hasskommentaren und Verschwörungstheorien. Aber die Kanäle sind auch ein gutes Instrument für den Austausch und die Interaktion, gerade im durch Corona beschränkten Wahlkampf.

Im Netz wurden vergangene Zitate von Ihnen feilgeboten, etwa, dass sie lieber Kölsch als Alt trinken und niemals als Düsseldorfer OB Kandidat antreten würden...

Die Frage ist doch, ob das für die Menschen von Belang ist? Ich habe ganz deutlich gespürt, dass diese Kampagne von den meisten Menschen als extrem provinziell angesehen worden ist. Vielen ist es völlig egal ist, wo man seine beruflichen Erfahrungen gemacht hat. Das hat nicht verfangen - mein Ergebnis am 13. September zeigt das.

Das Jahr ist stark gekennzeichnet durch die Pandemie. Wie viel schwerer wird es für einen Oberbürgermeister angesichts der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen, einbrechender Gewerbesteuer, drohender Pleiten in stark betroffenen Branchen, polarisierter Ansichten zu den Schutzverordnungen – eine Großstadt wie Düsseldorf zu managen?

Es wird sehr herausfordernd. Schaffen wir es, an einem zweiten Lockdown vorbei zu kommen? Wie gehen wir mit einer möglichen zweiten Welle um? Wir sind weiter angehalten, Krisenmanagement zu betreiben. Es geht auch nicht nur um die schwieriger werdende Haushaltslage der Stadt, sondern auch um die Bewältigung sozialer Folgen. Wir konnten Schülerinnen und Schüler über Wochen - auch digital - nicht zufriedenstellend beschulen, müssen uns da verbessern. Dass Menschen über Monate keine Gelegenheit hatten, sich zu treffen, ist sicherlich auch eine Ursache der Probleme, die wir derzeit in den Abend- und Nachtstunden in der Altstadt haben. Wir müssen aufpassen, dass das nicht aus dem Ruder läuft.

Sollte es am 27. September klappen, dann strebt ein OB Stephan Keller doch eine satte Schwarz-Grüne Mehrheit im Rat an, oder?

Es würde auch eine Schwarz-Rote Konstellation funktionieren, wir sprechen auch gerne mit der FDP. Nicht das, was rechnerisch als komfortabelste Lösung winkt, muss kommen, obwohl die Gewinne der Grünen natürlich auch einen bestimmten Wählerwillen ausdrücken.

Was wird aus dem Düsseldorfer OB-Kandidaten Dr. Stephan Keller, wenn es am Sonntag nicht langt?

Eine hypothetische Frage. Ich bin der Kandidat, der auch ein stabiles Ratsbündnis auf die Beine stellen kann. Auch deshalb bin ich mir sicher, dass ich mir darüber keine Gedanken machen muss.

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