Ein Leben lang in Oberkassel „Auf den Rheinwiesen haben früher Kühe geweidet“

Im Rahmen unserer Serie „Menschen im Quartier“ sprechen wir monatlich mit einem Bewohner über seinen Stadtteil. Diesmal haben wir uns mit Dieter Hoffmann aus Oberkassel unterhalten. Der pensionierte Bauingenieur lebt zusammen mit seiner Frau in einem Altbau aus dem Jahr 1900 auf der Wildenbruchstraße.

 Dieter Hoffmann in seinem Kiez auf der Dominikanerstraße.

Dieter Hoffmann in seinem Kiez auf der Dominikanerstraße.

Foto: Alexandra Wehrmann

Für das Interview mit dem Düsseldorfer Anzeiger haben wir ein Treffen im Café Muggel vereinbart. Dort erscheint der 78-Jährige dann ohne seine Frau - obwohl sie ihn eigentlich begleiten wollte, „als Kontrollinstanz“ wie sie vorab am Telefon scherzte. Hoffmann nimmt am Tisch in der hintersten Ecke des Cafés Platz und bestellt bei der Bedienung einen Cappuccino. Es ist vier Uhr nachmittags. Früher wollte er sich zum Gespräch nicht verabreden, weil seine Frau und er abends sehr spät ins Bett gehen und morgens dementsprechend lange schlafen.

Herr Hoffmann, wie lange wohnen Sie schon in Oberkassel?

Seit meiner Geburt. Das Haus auf der Wildenbruchstraße, in dem ich mit meinen Eltern lebte, gehörte damals meiner Großmutter. Ein Altbau aus dem Jahr 1900. Wir wohnten zu dritt in einem ausgebauten Dachgeschoss. Auf 120 Quadratmetern.

Sie sind 1941 geboren worden, also mitten im Zweiten Weltkrieg. Wie stark wurde Oberkassel im Krieg zerstört?

Im Gegensatz zur Innenstadt hat Oberkassel nur sehr wenig Bomben abbekommen. Auf unserer Straße waren lediglich zwei Häuser zerstört. Die wurden nach dem Krieg dann wieder aufgebaut.

Wie erinnern Sie die Zeit nach dem Krieg?

In meiner Kindheit gab es in unserem Haus noch Gasleitungen, an denen die Deckenlampen hingen. Und die Toiletten waren nicht in der Wohnung, sondern im Treppenhaus, auf der halben Etage. Unser Haus hatte damals nur vier Wohnungen. Daraus wurden dann nach dem Krieg sieben gemacht, um diejenigen, die ausgebombt worden waren, aufzunehmen. Zwangsbewirtschaftung nannte man das.

Wie lange blieben diese Leute? Wann normalisierte sich die Situation wieder?

Ich schätze mal nach zehn Jahren.

Leben Sie heute immer noch in dem Haus auf der Wildenbruchstraße?

Ja, das tue ich. Ich habe mein ganzes Leben in dem Haus verbracht. Heute wohne ich übrigens wieder in genau der gleichen Wohnung, die ich damals mit meinen Eltern bewohnte. Das Zimmer, in dem meine Frau und ich schlafen, war früher mein Kinderzimmer.

Haben Sie jemals überlegt, aus Oberkassel wegzugehen, mal woanders zu leben?

Nein, nie. Ich habe 37 Jahre in Wülfrath gearbeitet, als Bauingenieur für die dortige Stadtverwaltung. Aber ich bin immer gerne abends wieder nach Hause gekommen, nach Oberkassel. Über den Rhein. Der Rhein ist überhaupt eine Wucht. Und der Ausblick. Die tolle Altstadt-Kulisse auf der anderen Seite. Und die schöne Rheinfront hier. In einer Stadt ohne Fluss zu leben, kann ich mir gar nicht mehr vorstellen.

Wie weit ist Ihre Wohnung vom Rhein entfernt?

Zu Fuß vielleicht fünf Minuten.

Welche sind Ihre drei liebsten Plätze in Oberkassel?

Das sind zum einen die Rheinwiesen zwischen Oberkasseler- und Kniebrücke. Dort weideten übrigens, als ich Kind war, noch Kühe. Und es wurde Getreide angebaut. Eine richtige landwirtschaftliche Nutzung. Der Bauer Fausten hatte seinen Hof an der Oberkasseler Straße, also direkt bei uns um die Ecke. Der alte Hof aus dem Jahr 1784 steht immer noch. In den heutigen Garagen waren damals Schweineställe untergebracht. Mein zweiter Lieblingsplatz ist der Drakeplatz. Unter dem Platz liegt ein Bunker, in dem ich während des Kriegs, wenn Bombenalarm war, mit meiner Mutter gesessen habe. Den Bunker hat man nach dem Krieg einfach mit Erde überdeckt und eine Grünanlage daraus gemacht. Da haben wir als Kinder gespielt. Bis heute wird der Platz von Kindern und Jugendlichen genutzt. Gleich um die Ecke war früher das Atelier von Joseph Beuys. Mein dritter Lieblingsplatz ist der Marktplatz an der Luegallee, den finde ich auch ganz toll. Besonders gut gefällt mir der ehemalige Rheinbahn-Pavillon.

Wofür müssen Sie auf jeden Fall aufs Festland, also auf die andere Rheinseite, fahren?

Um ins Theater zu gehen. Obwohl es auch in Oberkassel ein Theater gibt. Das Theater an der Luegallee, da bin ich auch schon gewesen. Ein Kino gibt es ebenfalls. Das Souterrain im Keller des Café Muggel.

Die Gastro-Dichte in Oberkassel ist ziemlich hoch. Wo gehen Sie gerne essen?

Ich gehe gerne zum Fratelli, zu den beiden Brüdern. Da muss man aber auf jeden Fall reservieren, weil es immer voll ist. Weihnachten war ich schon mal im Stappen, das ist aber relativ hochpreisig, nichts für jeden Tag. Außerdem gehe ich gerne ins Café de France am Luegplatz. Und ins Polis auf der Dominikanerstraße. Das ist ein Grieche, der sehr guten Fisch hat. Und Meeresfrüchte. Früher gab es auch mal ein McDonald‘s in Oberkassel. Am Belsenplatz. Aber der musste schließen. Da sind die Oberkasseler nicht hingegangen. Das war denen wohl zu einfach. (lacht)

An welchem Ort in Oberkassel finden Sie Ruhe?

Bei mir zuhause. (lacht, überlegt einen Moment) Ruhe findet man überall. Meine Frau und ich haben das Glück, zwischen der Düsseldorfer Straße und der Luegallee zu wohnen. Dadurch, dass da überall drei- und viergeschossige Häuser stehen, ist es bei uns herrlich ruhig. Abgesehen von einem leisen Rauschen jedenfalls, das ist der Verkehr von der Kniebrücke. Trotz dieser Ruhe ist alles fußläufig zu erreichen. Die Luegallee ist eine schöne Einkaufsstraße mit unterschiedlichen Geschäften. Alles, was man braucht, ist da.

Zuletzt war viel darüber zu lesen, dass Düsseldorf die SUV-Hauptstadt Deutschlands ist. Und Oberkassel wiederum ist der Düsseldorfer Stadtteil mit den meisten SUVs. Wie stehen Sie dazu?

Die SUVs gehen mir auf den Keks. Allein schon deshalb, weil sie viel Parkfläche beanspruchen. Hier im Viertel gibt es ja nur sehr wenige Garagen. Deshalb ist man, wenn man keine eigene Garage hat, häufig gezwungen, illegal irgendwo zu parken. Als ich Kind war, war das natürlich noch ganz anders. Da haben wir auf der Straße Federball gespielt, es gab ja so gut wie keine Autos. Im Winter haben wir uns mit einem Spazierstock an die Autos gehängt und uns ziehen lassen. Damals brauchte man keine Tempo30-Schilder. Die fuhren sowieso alle nicht schneller.

Was fahren Sie selber für ein Auto?

Ich habe einen kleinen Renault. Der ist nur 4,20 Meter lang.

Welche Klischees über Oberkassel sind wahr?

Schickimicki würde ich sagen.

Nur bei Saitta oder auch anderswo?

Bei Saitta bin ich noch nie gewesen, obwohl ich Oberkasseler bin.

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