Zurück hinters Lenkrad: So klappt es auch nach vielen Jahren

Autofahren kann man zwar nicht ganz, aber doch ein ganzes Stück weit wieder verlernen, wenn man nicht regelmäßig trainiert. Doch der Wiedereinstieg ist kein Hexenwerk.

 Angst vor dem Wiedereinstieg? Die ist unbegründet. Nur etwas Respekt muss man haben. Dazu Ruhe und Muße.

Angst vor dem Wiedereinstieg? Die ist unbegründet. Nur etwas Respekt muss man haben. Dazu Ruhe und Muße.

Foto: fotolia.com © auremar

Deutschland ist eines der wenigen Länder, in dem Autofahrer ein sehr exklusives Recht genießen: Sie absolvieren einmal erfolgreich Theorie- und Praxisprüfung und behalten ihre Fahrerlaubnis dann — gesetzeskonformes Verhalten vorausgesetzt — ohne weitere Überprüfungen bis an ihr Lebensende. Der große Schock, der vor einigen Jahren die mediale Runde machte, entpuppte sich bei distanzierter Betrachtung einfach nur als verwaltungsrechtliche Formsache, damit Führerscheinfotos aktuell bleiben und innereuropäischer Führerscheintourismus unterbunden wird. Selbst mit dieser Begrenzung hat die Fahrerlaubnis an sich nach wie vor unbegrenzte Gültigkeit — auch wenn der Führerschein, also der Nachweis, alle 15 Jahre neu beantragt werden muss. Das aber sorgt für ein Problem: Es ist hierzulande durchaus möglich, eine nahezu unbegrenzte Zeit zu "pausieren" und danach wieder autozufahren. Über all die sich daraus ergebenden Problemstellungen und Lösungswege will der folgende Ratgeber informieren.

Autofahren ist ein komplexes Zusammenspiel zwischen Armen, Beinen, Augen, Gehör und dem, was Rennfahrer als "Hosenboden-Meter" bezeichnen. Grundlage, damit alles reibungslos funktioniert, ist das sogenannte Muskelgedächtnis. Man muss also beispielsweise nicht lange überlegen, wie man die Kupplung zum Anfahren kommen lässt, sondern es geschieht beinahe nebenbei, automatisch. Doch die eingespeicherten Bewegungsabläufe haben ein Verfallsdatum.

Dabei sei grundsätzlich unterstrichen, dass das "Verlern-Risiko" zwei Faktoren unterworfen ist:

  1. Dem Wiedereinstiegsalter des Fahrers
  2. Der insgesamten Dauer, in der er kein Auto fuhr.

Vom geringsten zum höchsten Risiko wäre das also die 18-Jährige, die für ein halbes Jahr pausiert, versus den 65-Jährigen, der seit 15 Jahren kein Lenkrad mehr in der Hand hatte. Allerdings sind es rein statistisch am häufigsten Frauen, die besonders lange aussteigen. Entweder handelt es sich dabei um Frauen, die nach der Babypause zuhause bleiben oder aber um Seniorinnen, die, sobald der Ehemann in Rente ist, ihm das Fahren überlassen. Doch auch für sehr junge Menschen gibt es keine Komplett-Entwarnung, denn wenn sie pausieren, dann mit einem wesentlich geringeren Fahrerfahrungspolster im Rücken.

Es ist ein Teufelskreis: Je länger man nicht gefahren ist, desto ängstlicher und unsicherer wird man und desto weniger traut man sich, hervorzubrechen. Dabei gilt vor allem die goldene Regel: Keine Panik. Ja, das Muskelgedächtnis vergisst nach einigen Jahren vieles, aber hauptsächlich die Feinheiten. Vollkommen zu verlernen, wie man ein Auto fährt, ist biologisch unmöglich, weil Bewegungsabläufe zu den Informationen gehören, die unser Gehirn am allerlängsten speichert — notfalls ein ganzes Leben.

Auch wenn es nicht so scheinen mag, aber man darf davon ausgehen, dass man die notwendigsten Grundlagen noch in einer Ecke abgespeichert hat. Und alles andere lässt sich verblüffend schnell neu erlernen.

Und dieses Lernen beginnt haargenau so, wie es einem vielleicht die Eltern vor vielen Jahren beigebracht haben, in einem stehenden Auto mit abgeschaltetem Motor und jemandem, der routinierter ist, als man selbst.

Der erste Schritt zurück beginnt damit, sich hinters Steuer zu setzen, Sitz, Lenkrad und Spiegel auf sich einzustellen und einfach mal mit den Pedalen, dem Schalt- und den Lenkstockhebeln zu spielen. Als nächstes kann der Motor angelassen werden. Wie fühlt sich die Servolenkung an? Wo sitzt der Lichtschalter? Keine Sorge, die Lage verkehrsrelevanter Schalter ist in Autos genormt. Ist auch das geschafft, kann man einen Gang einlegen und vorsichtig anfahren. Klappt doch noch ganz gut, oder?

Doch herauswagen in den Verkehr in und um Düsseldorf sollte man sich noch nicht. Denn jetzt steht ein Gang zum Arzt an. Sinn ist es, die körperliche Fahrtauglichkeit zu attestieren, sprich:

  1. Reflexe
  2. Beweglichkeit
  3. Puls und Blutdruck
  4. Augen
  5. Gehör

Gibt der Doc grünes Licht, kann man sich langsam an den ernsthaften Wiedereinstieg begeben.

Doch bevor man an sich denkt, muss an die anderen Verkehrsteilnehmer gedacht werden. Das bedeutet vor allem, sich wieder genauestens ins Gedächtnis zu rufen, was im Falle eines Unfalls zu tun ist. Notfalls kann man sich auch folgende fünf Schritte notieren und künftig im Auto deponieren:

  1. Unfallstelle absichern (Warndreieck im gesetzeskonformen Abstand aufstellen)
  2. Notruf verständigen (112 für Rettungsdienst, 110 für Polizei)
  3. Erste Hilfe leisten
  4. Beweise sammeln (etwa Handyfotos)
  5. Kontaktdaten austauschen

Als nächstes kann man sich, falls man besonders lange "aus dem Rennen" ist, gegebenenfalls bei der Verkehrssicherheitsberatung der Düsseldorfer Polizei anmelden, denn diese bietet spezielle Lehrgänge — einfach um zu lernen, wie man ein Auto wieder korrekt und sicher auf sich einstellt.

Dann aber kommt der große Moment: Da man einen Führerschein besitzt, ist es legal, das Auto von einem Routinier auf einen sonntäglich leeren Parkplatz steuern zu lassen und dort die Sitze zu tauschen — illegal wäre es nur, wenn man keinen Führerschein hätte. Alternativ könnte man auch zu den Verkehrsübungsplätzen in Mettman oder Karst fahren, für ein etwas realistischeres Übungsgefühl.

 Ein sonntäglich vereinsamter Supermarktparkplatz ist genau das richtige Terrain, um seine ersten Rollversuche zu starten.

Ein sonntäglich vereinsamter Supermarktparkplatz ist genau das richtige Terrain, um seine ersten Rollversuche zu starten.

Foto: fotolia.com © pathdoc

Doch ganz gleich wo man seine "ersten" Rollversuche macht, man sollte sich nur auf das Wesentliche konzentrieren. Also in aller Ruhe erst mal geradeaus fahren, großzügig Kurven durchqueren, hochschalten und an Steigungen anfahren. Jetzt geht es (noch) nicht darum, wieder in die Verkehrsregeln einzutauchen, sondern nur ein Gefühl für das Fahren an und für sich zu bekommen. Und je länger man aus dem Spiel war, desto öfter sollte man solche Sessions wiederholen.

Selbst Führerscheinbesitzer, die täglich auf den Straßen unterwegs sind, vergessen rasend schnell viele Regeln und vor allem Schilder, die sie in der Fahrschule mühselig gepaukt haben. Man darf also davon ausgehen, dass dies einen als Wiedereinsteiger umso stärker betrifft.

Falls noch nicht geschehen, sollte jetzt eine der zahlreichen Fahrregel-Apps auf dem Handy installiert werden, unter anderem der ADAC bietet so etwas an. Weil sie eigentlich für Fahrschüler gedacht sind, sind diese Programme ebenfalls bestens dazu geeignet, um auch den Wiedereinstieg zu trainieren — außerdem sind sie kostenlos und können auch durch Videos praktische Situationen trainieren.

Nun wird es Zeit, auf der richtigen Straße Ernst zu machen. Allerdings nicht gleich im dicksten Feierabend-Innenstadtgetümmel, sondern an einem sonnigen Tag außerhalb der Rush-Hour auf den Land- und Dorfstraßen im Umland. Wieder mit einem versierten Beifahrer fährt man auf diese Weise einfach eine gemütliche Ausflugsfahrt. Dabei nicht verkrampfen, es ist ja ein Profi dabei und es kann so gut wie nichts geschehen.

Und bei dieser Vorgehensweise bleibt man ebenfalls für ein paar Wochen. Kleine Touren ohne jeden Stress und Risiko. Das lässt dem Geist enorm viel Raum, um wieder Sicherheit und Routine zu bekommen. Wer möchte, kann dabei auch nach und nach den Schwierigkeitsgrad steigern. Etwa, indem er sich auch mal bei regnerischem Wetter heraustraut oder bei anbrechender Dunkelheit.

Ist auch das geschafft, kann man nun langsam in sein Lebensumfeld einfahren. Wer also in der Stadt wohnt, sollte versuchen, sich tagsüber einfach mal durch den Verkehr zu arbeiten — doch immer mit einem Beifahrer, weil das einfach mehr Sicherheit vermittelt. Selbst für Personen, die vielleicht Jahrzehnte kein Auto gelenkt haben, dürfte dies nach der sorgfältigen bisherigen Vorbereitung weder ein Problem darstellen, noch weiteres Üben erfordern.

Allerdings: Ein Punkt gibt es noch. Nämlich das alleine-Fahren. Das dürfte zwar an diesem Punkt kein Problem mehr sein, aber wer sich dennoch unsicher ist, sollte auch hier wieder in Trippelschritten arbeiten. Also vielleicht einfach mal morgens nur zum nächsten Bäcker, zum Supermarkt. Kurze Strecken, die einem nicht viel abverlangen. Dann aber heißt es: Willkommen zurück hinterm Lenkrad.

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