„Ich muss die Tiere bei der Arbeit fühlen“

Großes Aufregung am Benrather Bahnhof als dort zwei Damen in einer Samstagnacht auf eine Vogelspinne treffen. Sie wählen den Notruf. Bald ist Sebastian Schreiner zur Stelle, Berufsfeuerwehrmann- und gleichzeitig Reptilien-Experte.

 Sebastian Schreiners Hände, in Benrath gefangene Vogelspinne. Der Feuerwehr-Fachmann hält das Tier noch einige Tage bei sich zu Hause. Meldet sich weiterhin kein Besitzer, geht die Spinne in die Auffangstation eines Tierparks im niederrheinischen Rheinberg.

Sebastian Schreiners Hände, in Benrath gefangene Vogelspinne. Der Feuerwehr-Fachmann hält das Tier noch einige Tage bei sich zu Hause. Meldet sich weiterhin kein Besitzer, geht die Spinne in die Auffangstation eines Tierparks im niederrheinischen Rheinberg.

Foto: SP

Er fängt das Tier und erzählt im Interview, dass es 2016 an die 60 Einsätze dieser Art in Stadt und Umkreis gegeben hat.

 Sebastian Schreiner ist Berufsfeuerwehrmann- und gleichzeitig Reptilien-Experte.

Sebastian Schreiner ist Berufsfeuerwehrmann- und gleichzeitig Reptilien-Experte.

Foto: SP

err Schreiner, sie haben als Fänger meist exotischer und für die Breiten ungewöhnlicher Tierarten offenbar viel zu tun. Warum sind in Düsseldorfer Wohnungen oder auf Straßen der Stadt Vogelspinnen, Kornnattern oder Skorpione unterwegs?

Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Besitzer oder die Besitzerin verstirbt. Wir übernehmen Tiere, die von den Haltern nicht mehr betreut werden können, weil sie etwa zu groß geworden sind. Wir fangen entlaufene oder ausgesetzte Tiere in Parks ein. Es werden Skorpione aus dem Urlaub mit dem Koffer eingeschleust. Einem Mann war der Strom abgestellt worden - schlecht für seine beiden viereinhalb Meter langen Tiger-Pythons...

Schlangen, Skorpione, Spinnen, Schildkröten - ist das die Bandbreite?

Alles was den Bereich Reptilien und Terraristik abdeckt - da sind wir tätig! Wir hatten schon Vogelspinnen in einem Zeltlager, eine Mamba in einer zu räumenden Wohnung. Echt aufwändige Sachen!

Sie rechnen mit allem...

In NRW muss man das, da es hier keine gesetzliche Regelung gibt. Die Haltung potenziell gefährlicher Tiere ist erlaubt, jeder kann sich nach Hause holen, was er möchte. Einschränkungen natürlich bei artgeschützten Tieren. Aber - die meisten Giftschlangen zum Beispiel sind gar nicht artgeschützt.

Welche Arbeitsmittel stehen zur Verfügung?

Wir haben Sicherheitsboxen, aus denen die Tiere nicht mehr rauskommen, wenn Sie einmal drin sind, verschließbare Säcke, Schlangenhaken in verschiedenen Größen, Greifzangen. Dazu umfangreiche Fachliteratur - es gibt schließlich an die 2600 Schlangenarten. Selbst wir müssen mal nachschlagen.

Keine Arbeitshandschuhe?

Grundsätzlich arbeiten wir ohne spezielle Schutzausrüstung. Das hat nichts mit Leichtsinn zu tun. Vielmehr muss man diese Tiere bei der Arbeit fühlen. Wenn ich etwa eine Klapperschlange mit einem Finger-Griff am Kieferknochen hinter dem Kopf fixieren möchte, hätte ich mit dem Handschuh kein Gefühl. Das Tier könnte sich drehen und beißen. Im Übrigen: der Biss würde durch den Handschuh hindurch gehen.

Wie kämen Sie an Gegengift?

Es gib einen Seren-Depot-Verein Berlin. Die haben Anti-Seren-Standorte in ganz Deutschland gegründet. In Düsseldorf ist es die Uni-Klinik. Hier würde man das entsprechende Gegengift entnehmen.

Die Vogelspinne aus Benrath ist da vergleichsweise harmlos?

Vogelspinnen haben grundsätzlich alle ein Gift. Wenn sie beißen, ist das ähnlich wie bei einem Wespenstich. Es schwillt ein bisschen an, es wird rot, kann auch weh tun. Gefährlich nur für Allergiker. Die Art aus Benrath hat zusätzlich so genannte Brennhaare am Hinterleib, die sie abstreifen kann. Die fliegen durch die Luft, verursachen auf der haut Ausschläge. Ein Verteidigungsmechanismus.

Woher kommt sie?

Wir würden sie in Südamerika, genauer gesagt in Chile für heimisch halten. Wichtig ist für uns in diesem Zusammenhang aber auch immer der Hinweis, dass nicht alle Vogelspinnen aggressiv und gefährlich, sondern durchaus auch nützliche, ja schöne Tiere sind.

Was macht man als Entdecker eines solchen Tieres?

Wenn man eins sichtet, ist es schon mal gut, die Polizei oder Feuerwehr anzurufen. Dann beobachten, denn nichts ist schwieriger für uns, wenn es in einem Gebüsch oder einem Wandspalt verschwindet. Aber nicht zu nahe rangehen und schon gar nicht anfassen. Wir freuen uns als Fachleute zudem immer, wenn die Leute uns schon mal ein Handyfoto schicken können. Fotografieren also erlaubt. Die beiden Damen aus Benrath hatten von der Vogelspinne am Bahnhof ein Video gedreht. Ich wusste also schon, was auf mich zukommt.

Etwas drüber stülpen?

Bei Spinnen oder Skorpionen ist das mit einem Glas oder Eimer durchaus eine Möglichkeit. Bei Schlangen ist davon aufgrund deren größerer Reichweite dringend abzuraten

Hat sich der Besitzer oder die Besitzerin der Vogelspinne gemeldet?

Nein, erfahrungsgemäß meldet sich einer von zehn Besitzern. Die scheuen die Kosten, haben Angst, dass der Einsatz in Rechnung gestellt wird. Eventuell wissen auch die Nachbarn oder die Familie gar nicht, dass solche Tiere in der Wohnung gehalten werden oder man fürchtet Ärger mit dem Vermieter.

Drohen denn tatsächlich Einsatz-Kosten?

Die jeweilige Stadtverwaltung kann anhand der Grundlagen oder der Daten, die vorliegen, entscheiden, ob ein Einsatz in Rechnung gestellt wird oder nicht. Und ja, die Gefahr besteht! Und wir reden dann durchaus von ein paar hundert Euro.

(City Anzeigenblatt Duesseldorf)
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