Das Hetjens-Museum: 8.000 Jahre Menscheits-Geschichte

Wer austeilt, muss auch einstecken können. Wir haben behauptet, das Hetjens-Museum sei langweilig. Und die Rechnung ohne Claudia Kuhs und Daniela Antonin gemacht!

 Stadtführerin Claudia Kuhs (li.) und Dr. Daniela Antonin, Stellvertretende Leiterin des Düsseldorfer Hetjens-Museums mit einer großen Bacchus-Büste aus dem 18. Jahrhundert.

Stadtführerin Claudia Kuhs (li.) und Dr. Daniela Antonin, Stellvertretende Leiterin des Düsseldorfer Hetjens-Museums mit einer großen Bacchus-Büste aus dem 18. Jahrhundert.

Foto: ho

Wer bitte geht freiwillig ins Düsseldorfer Hetjens-Museum, um sich alte Pötte anzugucken? Todlangweilig, oder? Die Stadtführerin Claudia Kuhs zeigte sich angesichts solcher Äußerungen der Autorin entsetzt. "Ich beweise Ihnen das Gegenteil. Das Keramik-Museum ist unglaublich spannend!"

Wir treffen uns vor Ort. Kuhs hat Verstärkung mitgebracht: Dr. Daniela Antonin, stellvertretende Leiterin des Hauses. Was dann folgt, ist der atemloseste, unterhaltsamste und heiterste Schnelldurchgang durch ein heimisches Museum, den wir je erlebt haben. Antonin fegt regelrecht durch die Räume. Und präsentiert auch noch eine kleine Sensation.

1996 wäre das Haus beinahe geschlossen worden. Die Stadt musste sparen, die Etats wurden kräftig zurück gefahren. "Die Rettung brachte uns eine Ausstellung mit Meißener Porzellan", erzählt Antonin. 35.000 begeisterte Besucher konnten nicht irren. Das Haus blieb offen. Und ist an diesem Mittwochmorgen schon gut besucht. Gäste der Special Olympics stromern durchs Haus. Eine Gruppe junger Frauen trifft sich hier, zwecks Planung einer Hochzeit. "Ja, auch das ist bei uns möglich", ruft Antonin mit strahlendem Lächeln über ihre Schulter und flitzt schon wieder in den nächsten Raum.

Der Namensgeber des Hauses, Laurenz Heinrich Hetjens, stammte aus einfachen Verhältnissen. "Er wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft, auf der Citadellstraße", so Claudia Kuhs.

Hetjens, geboren 1830, war ein Sattlergeselle, mit künstlerischer Ader. "Er arbeitete 14 Stunden am Tag bei der Königlich Preußischen Postwagengesellschaft und nahm trotzdem noch Zeichenunterricht an der Kunstakademie", so Kuhs. Ein gut aussehender Mann, den Bildern nach zu urteilen, die im Museum hängen. Seine Leidenschaft gilt dem rheinischen Steinzeug. Seine Beruf verschlägt ihn nach Aachen, wo er sein zeichnerisches Können nutzt und Postkutschen designt. Schließlich heiratet er die 14 Jahre ältere Maria Catharina Regnier. "Sie war nicht nur aus dem Alter raus, in dem man Kinder bekommt, sondern hatte auch viel Geld", so Kuhs.

Was Herrn Hetjens schnell vom Arbeiten abbrachte. Er widmete sich fortan seiner Sammel-Leidenschaft. Glas, Medaillen, Gefäße. Seine bevorzugte Epoche: Die Renaissance. Seine Sammlung wollte er der Stadt Düsseldorf überlassen. Mit einer Bedingung. "Innerhalb von drei Jahren nach seinem Tod sollte für seine Sammlung ein eigenes Haus mit seinem Namen eröffnet worden sein. Sonst hätte er alles der Stadt Köln vermacht", so Antonin. Ein Angebot, das Düsseldorf nicht ablehnen konnte.

Aus dem Grundstock, den Hetjens legte, wurde ein Keramik-Museum, das in Europa seines Gleichen sucht. "Sie finden bei uns 8.000 Jahre Keramikgeschichte", sagt Antonin und fügt sehr vergnügt hinzu: "Im Londoner Victoria and Albert Museum sind es nur 4.000 Jahre!" Das älteste Gefäß im Düsseldorfer Hetjens-Museum stammt aus der Zeit um 6000 vor Christus, aus dem Orient. Und hier fängt für Claudia Kuhs die große Faszination an. "Wir haben es hier ja mit Gebrauchsgegenständen zu tun. Dadurch erfahren wir auch viel über die Menschen, die sie benutzten." Und auch über Entwicklungsgeschichte.

Auf unserer Tour durchs Haus begegnet uns eine freudig strahlende Silke Rehbein. Sie ist die Restauratorin und hat gerade einen kleinen Sensationsfund auf den Tisch bekommen. Ein Mitarbeiter des Gartenamtes hatte am Morgen mit der Schubkarre ein Fundstück aus dem Hofgarten abgeliefert. Blaue Frauen-Figuren sind zu erkennen. "Das stammt von dem Majolikahäuschen, das bis 1926 auf dem Ananasberg im Hofgarten stand."

Bei der Erklärung steigert sich die Drehzahl von Dr. Daniela Antonins Begeisterung noch einmal gehörig. Und auch Claudia Kuhs staunt nicht schlecht. Das Jugendstil-Gebäude von Villeroy & Boch von 1902 war in den 20er Jahren kurzerhand abgerissen worden. Weil Jugendstil nicht mehr so angesagt war. Jetzt gibt es also erstmals ein echtes Stück aus diesem kleinen Prachtbau zu bestaunen.

Am Ende sind wir rund eineinhalb Stunden im Hetjens-Museum unterwegs gewesen. Gefühlt allerdings nicht länger als 30 Minuten. Und wir leisten Abbitte. Claudia Kuhs hatte recht: Alte Pötte im Hetjens-Museum gucken ist alles andere als langweilig.

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