Der letzte Zeitzeuge

Der letzte noch lebende Zeitzeuge aus der Dauerausstellung "Düsseldorfer Kinder und Jugendliche im Nationalsozialismus" besuchte anlässlich seines 90. Geburtstages die Mahn- und Gedenkstätte.

 Dr. Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte schaut sich zusammen mit dem Zeitzeugen Wolfgang Kannengießer den Teil der Ausstellung an, der dem Senior gewidmet ist.

Dr. Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte schaut sich zusammen mit dem Zeitzeugen Wolfgang Kannengießer den Teil der Ausstellung an, der dem Senior gewidmet ist.

Foto: Mivi

Wenn Wolfgang Kannengießer von seiner Jugend spricht, dann unterbricht er seine Erzählungen gelegentlich mit nachdenklichen Pausen. Es scheint so, als sähe der 90-Jährige die Bilder der Vergangenheit noch genau vor sich: Das zerbombte Pempelfort nach dem "Pfingstangriff" (Luftangriff vom 12. Juni, der am Samstag vor Pfingsten 1943 geschah) oder seine Kriegshaft. Vielleicht liegt es auch an dem Gebäude, in dem sich die Mahn- und Gedenkstätte befindet. "Wir hatten alle Angst vor diesem Haus. Hier war die Verwaltung der Wehrmacht. Hier wurde ich gemustert" erinnert sich Kannengießer.

Im Alter von nur 16 Jahren wurde Kannegießer eingezogen. Zuerst kam er zum Reichsarbeitsdienst, dann zur Wehrmacht. Als Soldat kämpfte er in Frankreich und Dänemark.

Am 22. September 1926 wurde er in Düsseldorf geboren. Mit seinen Eltern und den Brüdern Johann und Leo wuchs er an der Franklinstraße auf. Die katholische Familie lebte ihren Glauben aktiv, vor den Mahlzeiten wurde gebetet. Der Vater, ein Koch, hatte die Söhne immer gewarnt: "Wenn der Hitler drankommt, dann gibt's Krieg." Das war der Grund, warum Kannengießer nie der Hitlerjugend beitreten wollte. Er gehörte zur Pfarrgemeinde St. Rochus in Pempelfort. Auf die Provokationen der Hitlerjugend, die beispielsweise die Gotttestdienste mit Aufmärschen störten, reagierte der jugendliche Kannegießer mit "Sabotageakten". Am Schloss Jägerhof stand ein großer Schaukasten, in dem das Hetzblatt "Stürmer" aus hing. "Wir haben ein Plakat gemalt mit dem Christus-Zeichen und drunter geschrieben: 'Uns rufet die Stunde.' Dann sind wir zum Kasten, haben die Scheibe kaputt gemacht und haben unser Plakat da reingehängt", erzählt Kannengießer.

Ein anderes Mal riss er an einer Bäckerei ein Plakat der Hitlerjugend ab und warf es weg. Er wurde verraten und kam zwei Tage in Haft bei der Geheimen Staatspolizei. "Ich hatte keine Angst. Ich habe nur gedacht: Du darfst keinen verraten".

Dass sein älterer Bruder Leo als Soldat 1942 in Smolensk (Russland) ums Leben kam, hat er nie wirklich überwunden. "Sechzig Jahre nach dem Tod von Leo habe ich die Möglichkeit bekommen sein Grab in Russland zu besuchen", so der Senior. Bei Arbeiten wurden die Gräber der gefallen Soldaten Anfang der 2000 Jahre ausgehoben und anhand der Erkennungsmarken konnten Angehörige informiert werden.

Nach Kriegsende wurde Wolfgang Kannengießer Kirchenmusiker, gründete eine Familie und blieb der katholischen Kirche ein Leben lang eng verbunden. Er lebt heute in Ratingen-Lintorf.

(City Anzeigenblatt Duesseldorf)
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