Kriegsende Nie wieder Nazis - ein Interview mit Aloys Odenthal

Kein Düsseldorfer hat erlebt, was Aloys Odenthal erlebt hat: In den 1930er Jahren sagt er Hitler den Kampf an. Mit Freunden bereitet er sich gegen Kriegsende bei einem Priester auf den Tod vor und verhaftet mit Polizei-Oberstleutnant Franz Jürgens den Nazi-Polizeipräsidenten Korreng, um die Stadt vor dem Schicksal Dresdens zu bewahren, der völligen Zerstörung.

Dann folgt das Drama, das für ihn zu einem Ungeheuer wird, mit dem er von da an ringt, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Interviews wie diese "werfen ihn immer zurück", sagt seine Frau. "Aber er muss es tun." "Ich muss." Er schluchzt: "Ich bin es meinen Freunden schuldig." Und: Damit kein Düsseldorfer mehr erleben muss, was Aloys Odenthal erlebt hat.

Aloys Odenthal macht früh Bekanntschaft mit den Nazis. Im Sommer 33 hält er sich mit Gleichgesinnten von der katholischen Kolping-Gemeinschaft in München auf. Während einer Tagungspause schlendern sie durch die Innenstadt. Da stürzt ein SA-Trupp mit Schlagstöcken auf sie zu, einer reißt ihm das Revers mit dem Kolping-Abzeichen herunter. "Was wollen Sie von mir? Ich hab' Ihnen doch nichts getan." "Halt' die Schnauze, du schwarzer Hund." Seine Freunde ziehen Odenthal weg. "Danach habe ich irgendwann ‘Mein Kampf' gelesen, zweimal." Und war sich bewusst, was Hitler bedeutete - auch wenn er ihn zunächst so einstufte, "was für ein Vollidiot".

Jahre später. Mit dem Spazierstock schlägt er auf dem Weg zum Waldfriedhof Gerresheim eine Gruppe von Hitler-Jungen auseinander, die versuchen seinen jüngeren Bruder zu drangsalieren. Zwei Tage später erhält er die Aufforderung in der SA-Befehlsstelle in Ratingen zu erscheinen. "Die haben mich mit ihren Nagel-Schuhen so lang getreten, bis ich blutüberströmt auf dem Boden lag." Noch einmal, und er würde im KZ landen. Anfang 45 muss er erneut zur Gestapo. Jemand hat seine Anti-Hitler-Einstellung denunziert. Es wird eng für ihn. "Bei der nächsten Anzeige gehts direkt ins Konzentrationslager."

Odenthal entgegnet ganz ruhig: "Ich werde in einer Hand den Rosenkranz halten und in der anderen Zyankali." Er wäre dann im Himmel, aber der Gestapo-Mann würde seines Lebens nicht mehr froh. Außerdem: Der Krieg sei längst verloren. Wenig später belagern tatsächlich die Amerikaner Düsseldorf. Sie liegen in Oberkassel, in Mettmann, in Langenfeld. Odenthal hat sich einer Widerstandsgruppe zugewandt. "Alles ganz normale Leute." Sie wollen die Stadt den Allierten übergeben, um die Bombardierung zu verhindern. Im Polizeipräsidium haben sie einen Verbündeten, den stellvertretenden Chef Franz Jürgens. Sie nehmen am 16. April den Nazi-Polizeipräsidenten fest und werden verraten.

Nur August Wiedenhofen und Odenthal gelingt die Flucht. Sie schlagen sich durch die deutschen Linien nach Mettmann zu den Amerikanern. Die glauben an eine Falle. "Ihr seid doch alle Nazis!" Odenthal schwört beim Leben seiner Schwester, die im Kloster lebt, dass sie es ehrlich meinen. Sie beten ununterbrochen. Dann schreiben sie eine Petition, die das Kommando endlich überzeugt. Odenthal und Wiedenhofen müssen auf den ersten Panzern mitfahren. Wenn was faul ist, seid ihr dran, sagen ihnen die Amerikaner.

Aloys Odenthal schlottern heute noch die Knie, wenn er daran denkt. Aber es kommt noch schlimmer. Auf einem Schulhof findet er die misshandelten, getöteten Freunde. "Jeder Mörder hat das Recht aufs Morgenlicht. Sie aber wurden beim Schein einer Taschenlampe niedergemäht." Odenthal schütteln Weinkrämpfe. 1985 verleiht ihm die Stadt zum Dank für seinen Einsatz die Ehrenbürgerwürde. "Ich habe sie stellvertretend für meine Freunde entgegengenommen." (schrö im Januar 2003)

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