Wagners "Siegfried" in der Deutschen Oper am Rhein Mord im Eisenbahndepot

"Leuchtende Liebe, lachender Tod!" Berühmte letzte Worte aus "Siegfried". Dritter Abend von Richard Wagners Vierteiler "Der Ring des Nibelungen".

Männer-WG mit tödlichem Ausgang: Der spätpubertäre Siegfried (Michael Weinius, li.) und der schmierlappige Mime (Cornel Frey).

Foto: Hans-Jörg Michel

Was für eine Bude! Tief im Wald hausen sie - Mime mit Siegfried. Letzterer das inzestuöse Produkt der Geschwisterliebe von Siegmund und Sieglind.

Beide längst tot. Ein zerbrochenes Schwert ist geblieben. Und der schmierige Ziehvater Mime. Dessen Gedanken kreisen vor allem um sich selbst. Um Alberich, den brutalen Bruder. Um den verlorenen Hort. Eine VHS-Videokassette läuft in Dauerschleife wie seine Gedanken um sich selbst. Ein kaputter Typ, dieser Mime. Schwerter schmieden klappt nicht mehr. Stehen da etwa Gartenzwerge?

Ziehsohn Siegfried ist ein mutwilliger pubertärer Rüpel. Ein Pilzgericht könnte möglicherweise Abhilfe schaffen. Mime brät Fliegenpilz.

Ins traute Heim platzt Wotan, der Aussteiger-Gott. Mit Fahrrad, Speer und Baumwoll-Beutel durchstreift er die Welt. Später erfahren wir: Brot und Wein sind im Beutel. Längst hat er den Untergang der bestehenden Welt beschlossen. Gute Gelegenheit fürs Picknick. Vielleicht vor Neidhöhle?

Da lungert schon längst Alberich herum. In einem alten Eisenbahnbetriebswerk. Schienen sind zu sehen. Immer noch spekuliert er auf Tarnhelm und Ring. Die hütet bekanntlich Fafner, in seiner Gier vom Riesen zum Drachen mutiert. Der Drache, das ist hier eine Menschmaschine. Fafner haust in einem Dampfpflug. Wo ihn schließlich Siegfrieds Schwert erwischt.

Weil Mime ihm nach vollbrachter Tat nun endlich das erwähnte Pilzgericht verabreichen will, beendet Siegfried die Beziehung mit dem Schwert und knüpft den Ziehvater gleich noch am Haken auf. Ein veritabler Doppelmord im Eisenbahndepot.

Gut, dass nach soviel düsterer Industrie die Natur zu ihrem Recht kommt. Das Waldvögelein entpuppt sich als waschechte Singdrossel und führt Siegfried schließlich zum herrlichsten Weib. Brünnhild, die - wir erinnern uns - wegen Ungehorsams von Vater Wotan zu Tiefschlaf verdonnert war. Das Vögelchen freilich zahlt seinen Einsatz mit dem Leben.

Der Brünnhildenfels ist der gute alte, geschrottete Kampfhubschrauber aus der Walküre. Und Siegfried lernt endlich das Fürchten: "Das ist kein Mann!"

Für Siegfried-Darsteller Michael Weinius ein ganz besonderer Abend. Zum ersten Mal spielt der Schwede diese Rolle. Und erntet vom Premierenpublikum frenetischen Applaus.

Auch seine Kollegen kommen in Sachen Beifall ebenso wenig zu kurz wie Dirigent Axel Kober und die Düsseldorfer Symphoniker. Die Buh-Rufe des Abends gehen an Regisseur Hilsdorf, halten sich mit den Bravo-Rufen aber so ziemlich die Waage.

Ein kurzweiliger "Siegfried", der aufgrund seiner Detailfülle eigentlich weitere Besuche erfordert...

Das große Finale folgt am 27. Oktober mit der "Götterdämmerung".