DJ Hell im Pong Der Gentleman-Discjockey

Seine musikalische Erziehung verdanke er Thomas Gottschalk, hat DJ Hell mal gesagt. Sie fand in den späten 1970er Jahren statt, in seinem Elternhaus im bayrischen Chiemgau.

Mit Stil in die Natur: DJ Hell.

Foto: Julian Baumann

Bei den Geiers, so der bürgerliche Name der Familie, ging es ziemlich normal zu. Vater Ingenieur, Mutter Hausfrau. Favorisierte Musikrichtungen: Schlager und Volksmusik. Der Junge sollte, so der elterliche Wunsch, Ziehharmonika lernen. Er weigerte sich. Das Instrument blieb unbespielt. Statt zu üben ging der Teenager auf die Jagd. Auf die Jagd nach neuer Musik. Damals war ja noch nicht alles jederzeit überall verfügbar. Um auf Stand zu sein, um den heißesten Scheiß als erster zu kennen, musste man viel Zeit investieren. Sich mit anderen austauschen. Die richtigen Magazine lesen und Radiosendungen hören. Helmut Josef Geier, wie DJ Hell eigentlich heißt, hörte Gottschalks Radio-Sendung "Pop nach acht", die an jedem Wochentag lief. Dort lernte er Bands wie Police kennen. Oder Roxy Music. Das Feuer war entfacht. Die Ziehharmonika vergessen. Als Jugendlicher kamen die ersten Auftritte in kleinen Discos, immer noch im Chiemgau. Problem, Problem: Die Menge seiner Platten reichte nicht aus, um einen ganzen Abend zu bestreiten. Also lieh er sich Scheiben von Freunden — und brachte sie am Sonntag nach der Partynacht brav zu ihren Besitzern zurück.

40 Jahre später ist der Mann, der einst mit Leihgaben seinen Dienst am Plattenteller versah, ein Star der internationalen Technoszene. Hell ist nicht nur DJ, er ist auch Produzent und Verleger. Auf seinem Label "International Deejay Gigolo" veröffentlicht er elektronische Musik von Jeff Mills, Fischerspooner, Miss Kittin oder Laurent Garnier. Auf den Festival-Plakaten steht sein Name stets ganz oben, er geht zur Prime Time an den Start. In der Techno-Szene ist das fast immer mitten in der Nacht. Die Sets von DJ Hell gelten als überdurchschnittlich laut. 104 Dezibel wurden mal gemessen. Das ist kurz vor Düsenflugzeug. Unterhalten kann man sich dabei nicht mehr. Nicht mal schreiend. Helmut Josef Geier ist heute Mitte 50. Sein Lebensstil: ziemlich vernünftig. Er trinkt keinen Alkohol, konsumiert keine Drogen. Er macht gerne Sport und achtet auf gesunde Ernährung. Wenn er spät in der Nacht auflegt, schläft er schon mal vor. Die, die ihn besser kennen, loben seine Freundlichkeit, seine Höflichkeit, sein Interesse am Gegenüber. In einer Branche der starken Egos ist all das keine Selbstverständlichkeit.

Im vergangenen Jahr ist Hells fünftes Studioalbum erschienen. Titel: "Zukunftsmusik". Die Journaille war sich einmal mehr einig. "Album des Jahres, it will change the world" schrieb Max Dax euphorisch in der "Frankfurter Rundschau". "Großartige Feldforschung" befand Thomas Meinecke im "Groove". Und Alexander Batke-Lachmann nannte Herrn Geier im "Musikexpress Style" gar "den Andy Warhol der elektronischen Musik in Deutschland". Vieles auf dem Album klänge so, wie man sich in den 1980er Jahren die Zukunft vorgestellt hat, hieß es anderswo. Fakt ist: "I want you", die erste Single-Auskopplung, avanciert in den Technoclubs schnell zum Hit. Apropos Clubs: Er kennt sie natürlich alle. In Tokyo. In London. In Berlin. In New York. Und natürlich wurde er auch mit dieser Frage mal konfrontiert, der nach dem perfekten Club. Er habe ihn gefunden, erklärte er daraufhin. Interessanterweise nicht in einer der großen, wichtigen Metropolen. Sondern in der Provinz, Heidelberg oder Heilbronn, da ist er sich nicht mehr so sicher. An den Club selber hingegen kann er sich noch gut erinnern: "Es war ein Keller, wie eine schwarze Box, mit einer unglaublichen Sound-Anlage. Es war voll, dunkel, man hat die Platten kaum gesehen — ein unfassbares Erlebnis. Das war mein idealer Club. So einen habe ich nie mehr erlebt."

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