Von der Benderstraße in die Arktis und Antarktis

Das Meereis schwappt mehr, als dass es schaukelt, so dünn ist es mittlerweile. Den Grad der Klimaerwärmung merkt man am Polarkreis am ehesten. Neben seiner Liebe zum Segeln war das ein wichtiger Grund für den 1958 in Gerresheim geborenen Michael Hunsdiek, sich ein Mammut-Projekt aufzuladen, das ihn vier Jahre lang mit einem Segelschiff in die nördlichsten und die südlichsten Gewässerzonen der Erde bringen soll.

 Ein Orka pflügt durch den Nordatlantik vor der norwegischen Küste.

Ein Orka pflügt durch den Nordatlantik vor der norwegischen Küste.

"Den Spezialisten der Forschungsinstitute fehlt oft die Bereitschaft, sich mit Laien auszutauschen. Da habe ich mir gedacht: Sammle ich die Daten eben selbst."

Weit weg vom Ziel seiner Expedition, bei "Mathilda" in der Regenbergastraße, stellt sich Michael Hunsdiek vor: "Ich segele schon seit meiner Kindheit." Später verdiente er sein Geld als Skipper von Hightech-Yachten und Traditionsschiffen, Zwanzig-Meter-Schönheiten ohne Motor, nur mit Wind fortzubewegen. "Sozusagen die absolute Meisterschaft im Segeln." Dreimal hat er, den Seemeilen nach, die Welt umrundet. Michael Hunsdiek ist ein kräftiger Mann. Man kann ihn sich als Seebären vorstellen, als reaktionsschnellen Seebären.

Die Freizeit-Schiffswelt sieht er abgeklärt. "Das sind heute moderne Wohnwagen, wo man viel Wert legt auf die Einrichtungsqualität."

Er liebt hingegen "schiffige" Schiffe. Vor allem, weil Meer und Wetter nicht zu kalkulieren sind. Sein kniffligstes Abenteuer? "Ein Orkan auf der Nordsee." Hat er gebetet? "Keine Zeit." Aber danach führte ihn sein erster Gang in die örtliche Kirche, wie bei fast jedem Besuch eines Hafens. "Das habe ich mir von den früheren Seefahrern abgeguckt."

Worauf kommt es bei Extremsituationen an? "Können und Karma." Vor der Natur hat Hunsdiek höchsten Respekt. Das politische Getue um eine Lösung der Klimakonflikte stellt er hingegen infrage: "Klimakonferenzen bringen nix." Und vor allem über die Konsequenzen schüttelt er den Kopf. "Privatsegler dürfen von ihrem Boot nicht den Möwenkot in die Ostsee bugsieren." Woanders wird dagegen Restfarbe ins Hafenbecken geschüttet und niemand ahndet es. "Doch Aufregen lohnt sich nicht. So sieht es heute aus: Erst soll der andere etwas für die Umwelt tun und danach ich." Seit acht, neun Jahren bereitet der Segler seine Arktis- und Antarktis-Reise vor. Als Sonderanfertigung für arktische Gewässer wurde sein Schiff "Odilpett" gebaut, eine Van de Stadt Normen. Es ist 13,50 Meter lang, 4 Meter breit, hat einen Tiefgang von 2,10 Meter und wiegt 14 Tonnen. Es wird zurzeit umgebaut, hat aber eine Testfahrt zum Nordkap bereits hinter sich. Noch führt es einen Dieselmotor mit 86 PS, aber "wir fördern den Einbau einer dieselelektrischen Anlage für den Antrieb. Dazu braucht es allerdings einen passenden Generator, einen Elektroantrieb in Schaftausführung und eine passende Batteriebank." Durch diese Aktion könnten dann auch andere Projekte realisiert werden, wie etwa die Entfernung der Gasanlage zum Kochen, da Gas und Kälte nicht immer gut zusammen passen. Allerdings fallen die etwa 30 000 Euro für diesen Akt nicht vom Himmel. Wie sieht der Weg seiner Reise aus? "Alle Weltumseglungen erfolgten bisher ost- oder westwärts. Mein Kurs dagegen führt nord- und südwärts auf den Längengraden durch die Ozeane zu den Polen, wobei Arktis und Antarktis umrundet werden."

Einige Tiere folgen ähnlichen Routen. "Beispielsweise fliegt die arktische Seeschwalbe dem Sommer der Arktis und Antarktis hinterher." Das macht mehr als 70 000 Flugkilometer im Jahr aus. Die großen Meeressäuger schwimmen voraus. Auf der Suche nach den besten Lebensräumen wandern sie von Pol zu Pol. Forscher werden Michael Hunsdiek und die "Odilpett" auf Etappen seines Törns begleiten. Dokumentiert wird die Fahrt von einem Kamera-Team. "Das wird keine Touristen-Fahrt." Auch wenn seine Freundin, die in Hamburg wohnt, ihn auf einigen Reiseabschnitten begleitet. Er würde auch Aufgaben von Forschungsinstituten ausführen, wenn die Daten allgemein zugänglich bleiben.

Sowohl Daten, Routen und Förderer des Projekts wird Michael Hunsdiek kontinuierlich auf seiner Internet-Seite veröffentlichen. Die Kultur des Austausches schätzt er sehr. Und nicht nur virtuell. "Alle Seeleute reden miteinander und helfen sich gegenseitig." Im Ernstfall wird sogar darauf verzichtet zu fragen, was es kostet. Dieses ungeschriebene Gesetz gilt seit Urzeiten.

Die Offenheit vor allem im Ausland beeindruckt ihn . Allüren kann sich eben niemand leisten - selbst Prominente nicht. "Arved Fuchs habe ich mit seinem Schiff Dagmar Aaen zweimal getroffen." Und wie war er? "Wir haben uns ganz normal unterhalten, da gibt es keine Berührungsängste." Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass das Leben auf dem Meer die Geduld trainiert. "Segeln entschleunigt. Man braucht Zeit. Die Naturgewalten lassen sich nicht planen." Bis seine Fahrt im nächsten Jahr startet, kann man sich dem Abenteuer über seinen Förderverein nähern: "Freunde der Arktis — Antarktis und Klimarelevante Gebiete e.V." steht auf dem Schild an seinem Haus an der Benderstraße. Michael Hunsdiek kann auch Sponsoren noch Raum geben, die das Projekt unterstützen wollen.

Klaus Schröder

Info www.faakg.de www.michael-hunsdiek.de expedition@michael-hunsdiek.de info@faakg.de

(City Anzeigenblatt Duesseldorf)
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