Hass und Drohungen aus dem Netz - Jacques Tilly ist ein Betroffener „Die gehören aufgehängt“

„Leute, die solche Wagen bauen, gehören gehängt.“ Jacques Tilly, verantwortlich für die aussagekräftigen und -deftigen Rosenmontags-Motive im Düsseldorfer Karneval, schmunzelt am Telefon. Er ist nach eigenem Bekunden „hartgesotten“. Denn: „Solche Mails oder Kommentare aus dem Netz erhalte ich regelmäßig“ In diesem Fall wegen seiner Darstellung Donald Trumps am Spieß überm Grillfeuer aus dem Wagensortiment des Rosenmontagszugs light vor knapp zwei Wochen.

 Bedrohliches Internet, betroffener Rosenmontagswagenbauer Jacques Tilly (Bild unten).  - „Die Verstrahlten finden sich dort zusammen“. Fotos: D. Herrmann/ Robinraj Premchand

Bedrohliches Internet, betroffener Rosenmontagswagenbauer Jacques Tilly (Bild unten).  - „Die Verstrahlten finden sich dort zusammen“. Fotos: D. Herrmann/ Robinraj Premchand

Foto: Pixabay

Tilly ist prominenter Betroffener von Hassrede im Internet. „Da finden die Verstrahlten zueinander und halten sich für die Vertreter des Volkes.“ Da gibt es mal ein „Ab ins Gas mit euch“ oder wird mit dem Tod gedroht („Hoffe, dass Dir jemand ein Messer in den Hals rammt“). In solch widerwärtigen Fällen zwar anonym, „doch 95 Prozent posten mit Klarnamen“. Jacques Tilly ordnet diese Reaktionen unter Berufsrisiko ein, hat auch noch nie die Polizei verständigt. „Ehrlich gesagt ist mir das schnuppe.“ Nur bei ganz konkreten Hinweisen auf eine Bedrohung gegen ihn, würde er aktiv werden.  Die Tendenz zu mehr Hass und  Diskriminierung im digitalen Raum steigt  stetig. Auch Hate Speech (deutsch: Hassrede) nimmt zu (Digital Civility Index, 2020 von Microsoft). 94 Prozent der 14- bis 24-Jährigen geben an, sie im Internet wahrgenommen zu haben. Immerhin: Gleichzeitig steigt der Anteil derer, die Hassrede melden, von 34 auf 67 Prozent an (Studie im Auftrag der Landesanstalt für Medien NRW, 2020).

 Experten des Düsseldorfer Versicherers ARAG betonen den schmalen Grat zwischen Meinungsfreiheit und Straftat. „Die Definition von Hassrede ist kein feststehender, juristischer Begriff.“ Gemeint sind menschenverachtende und volksverhetzende Inhalte im Internet, Aufrufe zu Gewalt. Dabei geht es – wie im analogen Leben auch – um Rassismus, Sexismus, Vorurteile aufgrund sozialer Herkunft oder des Aussehens. Aber auch eine bestimmte Haltung zu Corona oder andere politische bzw. gesellschaftliche Ansichten können Auslöser für Hassrede sein. Betroffen sind vor allem jene, die gegen Menschenfeindlichkeit eintreten, sich zivilgesellschaftlich engagieren oder – wie im Fall Jacques Tilly - Ereignisse provokant und satirisch kommentieren.

Feuerwehr warnt brüchige Eisflächen Eisleitern
Foto: D. Herrmann

 Wie kann man sich wehren? Im ersten Schritt raten die Experten Betroffenen, sich an den Anbieter der Plattform zu wenden und diesen zur Löschung der Hassrede aufzufordern. Sind die Hate Speech-Kommentare gravierend, kann man eine Strafanzeige bei Polizei oder Staatsanwaltschaft stellen, dies ist auch anonym möglich.

 Die Experten weisen grundsätzlich darauf hin, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit auch im Internet gilt. Doch es gibt Grenzen. Sobald diese überschritten werden, kann ein Straftatbestand vorliegen, etwa Volksverhetzung, Bedrohung und die öffentliche Aufforderung zu Straftaten. Außerdem drohen bei sogenannter „Schmähkritik“ auch zivilrechtliche Unterlassungsklagen und Schadensersatz-Ansprüche. 

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