"25 Minuten lang wusste ich nix mehr"

Der bayerische Stand up-Comedian und Kabarettist Michael Mittermeier gastiert am 8. Dezember mit seinem Programm "Blackout" in Düsseldorf. Dem Düsseldorfer Anzeiger stand er zuvor zum Interview zur Verfügung.

Herr Mittermeier, "Blackout" - das passt ja gut in die Zeit mit Weihnachtsfeiern oder Weihnachtsmärkten und Glühwein...

Wahrscheinlich schon: Mittlerweile sind ja die Weihnachtsmärkte fast schon wie der Ballermann. Früher ging man dahin, um ein wenig Weihnachts-Feeling zu bekommen. Heute wird das Wort vorglühen mit Glühwein sehr ernst genommen. Außerdem trifft man manchmal auf Kinder die ihre Eltern suchen, weil diese besoffen hinter dem Stand liegen. Da ist schon eine Menge los.

Aber diese Art von Blackout war nicht wirklich der Auslöser für ihr Programm...?

Nein, das war der große Stromausfall 2003 in New York. Und mir ging es darum, was bei so einem Blackout, wie man ihn damals nannte, passiert. Die Menschen reagieren ja in diesen Situationen völlig verschieden. Der Strom geht weg und es wird dunkel. Viele denken dann erstmal an einen Terroranschlag. Mir kommen dann sofort Zombies in den Sinn. Jeder ist da ja anders.

Neben diesen beiden Arten von Blackout gibt es aber auch noch die Momente, in denen man plötzlich alles vergessen hat. Besonders beliebt sind diese Momente bei Prüfungen oder in der Schule. Kennen sie so etwas auch?

Natürlich! Man hat sich Monate lang auf einen Vortrag vorbereitet und dann steht man da und alles ist weg. In den Momenten habe ich mich dann immer gefragt: "Wo ist das alles hin?" Allerdings bin ich einer, der solche Situationen gut überspielen kann. Darum bin ich wahrscheinlich auch Comedian geworden. Bei mir gibt es immer wieder Situationen, in denen ich einen Blackout habe. Besonders ist mir da einer in Köln in Erinnerung geblieben. Ich stand gut 25 Minuten auf der Bühne und wusste nichts mehr. Da musste ich dann improvisieren und es war eine sehr lustige halbe Stunde. Nach dem Auftritt kamen dann viele Fans zu mir und sagten: "Großartig wie du das gespielt hast, wir haben dir den Blackout voll abgenommen."

Neben der Comedy thematisieren sie in ihren Programmen auch immer aktuelle politische Ereignisse wie Energiewende oder Lebensmittelskandale. Wieso sind ihnen solche Themen auch wichtig?

Na ja, ich bin einfach ein politischer Mensch. Ich mache sowohl Comedy wie auch Kabarett. In den Staaten beispielsweise ist das egal, da werden die politischen wie auch die unpolitischen Stand up Comedians genannt. Nur wir in Deutschland haben das Problem, dass wir die beiden Bereiche so unterteilen. Für mich ist es normal, dass ich beides mache.

Für viele ihrer Kollegen jedoch nicht. Die machen entweder Comedy oder Kabarett. Wie kommt das?

Das ist ja auch eine Zielfrage. Stan und Olli waren auch nicht politisch und es passt auch nicht zu jedem. Außerdem muss das ja auch nicht jeder machen. Denn sonst wäre es Zwang und das fände ich schlimm.

Wie schwierig ist es denn, heute kritische Themen anzusprechen?

Ich weiß es nicht. Ich mache es einfach. Ich glaube der Punkt ist, dass es einem sel

bst egal sein muss, wenn es Menschen gibt, die das nicht mögen und dann nicht zu einem kommen. Außerdem muss man die Themen so behandeln können, dass sie unterhaltend sind. Da geht es dann dem Kabarettisten genauso wie einem Sketch-Komiker: Ohne Unterhaltung hört dir eben keiner mehr zu. Konkret heißt das: Auch Dieter Hildebrandt musste Pointen setzen, damit ihm jemand zuhört.

Kollegen wie Dieter Nuhr oder Carolin Kebekus haben ja in letzter Zeit ziemlich Probleme wegen ihrer Äußerungen über verschiedenen Religionen bekommen. Finden sie diese Kritik gerechtfertigt oder ist das, was die beiden sagen, für sie künstlerische Freiheit?

Das ist für mich künstlerische Freiheit, die man sich immer wieder rausnimmt. Das hat in Osnabrück einer gehört und dann überreagiert. Solche Leute finden schnell 100 andere, die einem zustimmen. Dann geht sowas durch die Presse. Was ich viel schlimmer finde, ist was Wilfried Schmickler über Dieter Nuhr bei den Mitternachtsspitzen gesagt hat. Da muss ich echt sagen: Muss man sich dahin stellen und sagen: "Wir haben ja schon in den 70er Jahren Witze über Muslime gemacht:" Das geht ja gar nicht. "Schäm dich Alter!"

Sie sind ja der einzige deutsche Comedian, der im Ausland in englischer Sprache auf Tour geht. Hier spielen sie in großen Hallen. Im Ausland sind sie eher in kleinen Clubs. Was ist das für ein Gefühl?

Wenn man es pauschal sagen will, dann ist es "Back to the Roots". Wichtig ist mir jedoch daran, dass ich immer wieder an neue Grenzen gehe. Wenn man in ein anderes Land geht, mit einer anderen Kultur und einer anderen Sprache und keiner kennt einen da und wenn man dann die Leute zum Lachen bringt, ist das schon etwas ganz besonderes. Das ist die Keimzelle der Comedy. Da kann dann keiner sagen: "Das Publikum lacht nur weil sie einen kennen." Nein, man muss das Publikum klar machen und wenn es lacht, dann muss es schon gut gewesen sein. Im Ausland interessiert es keinen, ob ich Deutscher bin oder ob mein englisch nicht so gut ist. Das ist auch nicht der Lacher. Für mich ist es eher eine Herausforderung, dass ich in der Muttersprache der Comedy, in der Sprache meiner Helden spiele. Dieses Spielen in einer anderen Sprache ist als würde man einem Maler eine ganz neue Farbe geben. Man hat 20 Jahre in Deutsch gemalt und bekommt jetzt Englisch zum Malen.

Wie passen im Ausland eigentlich Deutschland und Humor zusammen?

Das klappt wahrscheinlich nicht bei jedem, aber bei mir passt es eigentlich gut zusammen. Es ist ja mittlerweile auch ein altes Klischee, dass das nicht zusammen passt. Obwohl mir der Comedian Eddie Izzard mal erzählt hat, dass sein Vater zu ihm sagte: "Du kannst über die Deutschen denken, was du willst, aber sie haben keinen Humor." Heute ist das nicht mehr so, aber lustig ist ja schon, wenn man darüber nachdenkt, dass alle deutschen Sprichwörter über Humor negativ sind. Ob man nun sagt "Schluss mit lustig" oder "zum Lachen in den Keller gehen". Kein deutsches Sprichwort dazu ist lustig. Wir Deutschen haben ein schizophrenes Verhältnis zum Humor. Das ist für mich typisch deutsch.

(City Anzeigenblatt Duesseldorf)
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