Wer bin ich? Michael Patrick Kelly und die Frage seines Lebens

Das Leben des Michael Patrick Kelly liest sich wie ein Drehbuch. Ein Drehbuch mit ihm in sämtlichen Hauptrollen. Ganz schön anstrengend. So viel ist sicher: Man möchte auf gar keinen Fall mit ihm tauschen.

 The Artist formally known as Paddy: Michael Patrick Kelly.

The Artist formally known as Paddy: Michael Patrick Kelly.

Foto: Andreas Nowac

Kelly wird in eine Familienband hineingeboren. Bereits als Kleinkind lernt er die ersten Instrumente und das ABC des Songwritings. Als er vier Jahre alt ist, stirbt seine Mutter an Krebs. Der Vater geht mit ihm und acht weiteren Geschwistern nach Frankreich, wo sie ihr Geld als Straßenmusiker verdienen. Zurück in Deutschland bewohnt die Familie eine Drei-Zimmer-Wohnung. Mit insgesamt 14 Personen. Später ziehen sie auf ein Hausboot im Hafen Köln-Mülheim. In den 1990er-Jahren erlebt die Kelly Family einen kometenhaften Aufstieg. Die ehemaligen Straßenmusiker füllen plötzlich riesige Hallen, gar Stadien. Paddy, wie er zu der Zeit genannt wird, ist der feuchte Traum zahlloser weiblicher Teenager. Nicht nur deshalb hat er am Erfolg der Kelly Family großen Anteil. Als "Music Man" und Produzent der Band zeichnet er auch für einen Großteil der Songs verantwortlich, darunter den Superhit "An Angel". Die Kelly Family verkauft mehr als 20 Millionen Tonträger, kassiert 48 Gold- und Platinauszeichnungen. Und auch sonst ist immer was los. "Wir haben davon geträumt, viele Häuser zu besitzen, in großen Stadien zu singen, auf einem Schiff zu leben und in einem Schloss zu wohnen. Keiner dieser Wünsche blieb offen", hat Michael Patrick Kelly mal in einem Interview gesagt. "Aber was wirklich im Leben zählt, kann man nicht mit Geld bezahlen. Jeder von uns kommt an den Punkt, wo er sich fragt: Wo komme ich her? Was mache ich hier? Wo geht es hin?"

Er selber hat sich die Fragen natürlich auch gestellt. Und kam zu dem Schluss: Ich bin nicht glücklich. Um das zu ändern, macht er einen radikalen Schnitt. 2004 tauscht er sein Popstar-Leben gegen eines in Stille und Abgeschiedenheit ein und geht ins Kloster. Sechs Jahre lebt er dort, widmet sich dem Studium der Philosophie und Theologie. Sechs Jahre verschwindet er komplett aus der Öffentlichkeit. Dann kehrt er ins weltliche Leben zurück. Er heiratet seine Jugendliebe, eine belgische Journalistin und Religionsphilosophin. Und er teilt seine Musik wieder mit den Fans. Drei Solo-Alben hat Michael Patrick Kelly in den vergangenen vier Jahren veröffentlicht. "Human" erschien 2015. "Ruah", das Songs enthält, die während seiner Zeit im Kloster entstanden sind, 2016. Seinem jüngsten Album hat Kelly den Titel "iD" gegeben. Identity, Identität. Für das Werk hat er ein Team aus exzellenten Songwritern, Produzenten und Musikern um sich geschart, darunter Grammy Award-Producer Jimmy Hogarth (Amy Whinehouse, James Bay, Sia, Duffy) oder das erfolgreiche Produzententeam Alex Beitzke & Bradley Spence (James Arthur, Florence and the Machine).

Von mehr als 40 Songs, die entstanden sind, haben es 14 auf die Platte geschafft. Aufgenommen hat Kelly sie in London, in einer Zeit, in der die Welt gnadenlos verrückt spielte. Trump, Brexit, Terror. Er hat also nicht nur über seine eigene Identität sinniert, sondern auch über die der Welt. Umso erstaunlicher, dass "iD" weder in Verzweiflung noch Zynismus verfällt. Sondern durch und durch positiv und hoffnungsvoll daherkommt.
"Who am I? Who are you? Who are we?" singt er im Titelsong, der ein Feature von seinem Freund und Kollegen Gentleman enthält, und bringt damit das Thema des Albums auf den Punkt. Mit "New Spirit" veröffentlicht er ein weiteres Lied, das in seiner Zeit im Kloster entstanden ist. Und "Last Words" hält Kelly selber für eines seiner bislang mutigsten Stücke. Den Songtext hat er aus den letzten Worten diverser Berühmtheiten zusammengesetzt. Die Reihe reicht von Marie-Antoinette bis Steve Jobs. Musikalisch präsentiert sich the artist formerly known as Paddy bei all dem äußerst vielseitig: Auf "iD" gibt sich Kelly vom Folk ebenso beeinflusst wie vom Soul der 1960er- und 1970er-Jahre oder Grunge und Rock. Unüberhörbar zudem seine Liebe zu U2, Bob Dylan oder Bruce Springsteen, aber auch zu aktuellen Indie-Bands wie Bon Iver.

30.11., 20 Uhr, Mitsubishi Electric Halle, Siegburger Str. 15, Düsseldorf

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