Interview mit einem Flüchtling: Der Christ aus Teheran

Davin Schirazi-Rad hat Angst vor dem langen Arm der Mullahs im Iran. Deshalb bittet er darum, seinen richtigen Namen nicht zu verwenden. Seine Geschichte beginnt vor mehr als vierzig Jahren in Teheran und führt ihn bis nach Düsseldorf-Gerresheim.

Wir haben uns fast verpasst, weil ich mir einen falschen Treffpunkt gemerkt habe, und wir uns erst die Hand geben können, nachdem ich ihn anrufe und meinen Fehler korrigiere. An der Heyestraße wartet ein zurückhaltender, drahtiger Mann mit dunklen Haaren. Von nun an wird es zwei Stunden so gehen: Ich frage, er hört zu, überlegt, wägt seine Worte ab. "Woher können Sie so gut Deutsch?” "Ich habe vor sieben Monaten einen Kurs begonnen, und ja, ich habe wohl ein Talent für Sprachen.”

Dieses Talent half Davin bereits, als er als junger Mann seine Heimatstadt Teheran verließ, um im Ausland sein Glück zu finden und gutes Geld zu machen, viele Jahre lang. "Alles war gut.” Bis auf eins: "Meine Eltern und meine Geschwister vermissten mich.” Seine Mutter wurde vor Gram krank - und Davin kehrte zurück. Er ließ sich zum Industriemechaniker ausbilden und arbeitete in einer Autowerkstatt.

Dort lernt er einen Kollegen kennen. "Ein sehr netter, ein guter Mann.” Der diskutiert nach einer Weile mit ihm die Frage, die Davin schon immer beschäftigt hat. "Warum haben die Christen drei Götter?” Sogar iranische Geistliche hatte Davin um Aufklärung gebeten und als Antwort erhalten: "Die Christen haben die Geschichte Gottes mit dem alten und dem neuen Testament verfälscht.”

Nach drei Monaten gibt der Kollege ihm eine Bibel. "Ich habe sie gelesen, aber nicht gut verstanden.” Doch er bleibt dran. "Irgendwann ging mir ein Licht auf: Vater, Sohn, Heiliger Geist sind verschiedene Form des einen Gottes.”Und noch etwas fällt ihm auf. "Da gibt es einen Unterschied zwischen Religion und Glaube. Die Religion sagt: Du musst, du musst, du musst. Es ist Gesetz.” Der Glaube sei dagegen herzlich. "Nach neun Monaten hatte Jesus mein Herz erobert.” Davin schließt sich einem Hauskreis an, der ein- bis zweimal im Monat im Geheimen zusammentrifft. Zehn bis zwölf Personen.

Seine Eltern gehören nicht dazu. Und auch nicht seine Ehefrau. Im Gegenteil. Sie lehnen seinen neuen Glauben ab. "Das Problem war: Meine Frau wollte nichts von allem wissen. Sie wollte nicht denken. Und ich wollte nicht zurück.” Der Bruch droht. Eines Nachts träumt seine Frau, ein Licht in der Ecke des Zimmers hätte zu ihr gesprochen und ihr geraten, wieder Kind zu werden und zuzuhören. Der Traum wiederholt sich. "Da ist meine Frau ein bisschen runtergekommen.” Während Davin arbeiten geht, liest sie in der Bibel. Dann ist der Tag da, der alles ändert.
"Der Hauskreis war angesetzt, aber ich wollte absagen, weil meine Schwiegermutter zum Arzt musste. Mein Freund überredete mich: Komm eben später.” Das ist sein letztes Lebenszeichen. Zum Treffpunkt gelangt Davin nicht mehr. Polizei hat die Straße abgeriegelt. Die rotierenden Strahlen der Blaulichter klatschen auf seine Windschutzscheibe. Er fährt sofort weiter und sieht noch, wie einige seiner Freunde in Handschellen weggeführt werden. "Ich habe später versucht anzurufen, aber niemand war mehr erreichbar.”

Jetzt zählt jeder Tag. "Meinem Vater war noch eher klar als mir, dass sie mich finden würden, wenn ich hier bliebe.” Drei Wochen später flüchtet er mit seiner Frau und seiner Tochter mit gefälschten Pässen. Ihre Irrfahrt durch Deutschland beginnt in München, führt nach Bielefeld, in die Nähe von Nürnberg, nach Bayreuth und schließlich nach Gerresheim. Inzwischen ist er als Flüchtling anerkannt und hat am 5. Januar eine Stelle angetreten. "Ich habe dort zur Probe gearbeitet und mein Chef war voll zufrieden mit mir.”

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