Gerresheim Was Gerda Becker mit dem Grafen Gerrich verbindet

Gerda Becker musste zweimal hinsehen. Als sie zuhause eine Chronik ihrer Geburtsstadt Linz las, tauchte auf einmal der Name Gerresheim auf. Damit begann eine aufregende Reise ins tiefe Mittelalter, mit Adelsgeschlechtern, Burgen am Rhein und Patres in Brasilien.

Gerda Becker hat den Moment der Entdeckung immer noch parat: "Ich blätterte in der Broschüre ‘1100 Jahre Linz' und konnte es nicht glauben: Da stand ‘Gerresheim'." Der Aufbruch in die Familien-Vergangenheit führte sie bis ins frühe Mittelalter. Die Erkenntnisse in Kurzform: "Meine Großmutter mütterlicherseits ist eine geborene Sinzig. Die Sinziger waren Burgnachbarn der Rennenbergers in Linz am Rhein, dem Geschlecht des Grafen Gerrich." Der wiederum hat nach der Überlieferung Gerresheim gegründet, indem er für seine Tochter Regenberga ein Frauenstift am Fuß des Berghangs bauen ließ, den wir heute als Gerresheimer Höhen kennen.

"Ich war auf einmal ganz euphorisch." Gerda Beckers Augen glänzen. "Dann will man alles wissen." Seitdem macht sie sich ein paar Mal pro Jahr auf in den Ort, der 90 Kilometer von hier Wurzeln offenbart - ihre und die des Stadtteils. Eine wesentlich weitere Reise war nötig,um zu sehen, welches Leben Franz Sinzig geführt hatte, der Bruder ihrer Oma. "Mit 17 ist er dann nach Brasilien ausgewandert und hat dort sechzig Jahre als Franziskaner-Pater gewirkt."

Sowie die größte Zeitung des Landes herausgegeben, 85 Musikwerke komponiert, darunter eine Oper und 14 Messen, plus Bücher auf Portugiesisch geschrieben. "Ein Multi-Talent." In Rio de Janeiro verfasste er kurioserweise auch den historischen Roman über ein bedeutendes Altarbild in seiner Heimatstadt Linz, "Sturm am Rhein", das vor drei Jahren neu aufgelegt wurde.

So sieht die eine Verästelung des Stammbaums von Gerda Becker aus. Die Untersuchung der väterlichen Linie mütterlicherseits hat sie derweil zur Keimzelle des Ruhrgebiets geführt. Im Tagebuch eines Ur-Ahns von 1697 entdeckte sie einen dokumentarischen Schatz. "Aber verstehen konnte ich es zunächst nicht." Oft saß sie bis spät in die Nacht an der Übersetzung. "Heinrich Daniel Jacobi war ein ausgewiesener Hüttenfachmann, der auch Stollen zum Abbau von Eisenerzen erschloss." Eisleben, Mansfeld, Bitterfeld, Koblenz.

Sein Rat war überall gefragt. Stets machte seine Frau die Umzüge mit. "Zum Schluss waren da außerdem 15 Kinder." Wer Pate geworden war, wie viel eine Postkutschenfahrt kostete - viele Dinge des Alltags sind im Tagebuch vermerkt. Wenn sich Gerda Becker die Lebensleistung der Ehefrau Johanna Maria vergegenwärtigt, kommen ihr mitunter die Tränen. Johanna Maria Jacobi jedenfalls half mit, dass ihr Mann die Eisenhütte in Neu-Essen aufbauen konnte, gemeinsam mit Haniel und Huyssen. Der Sohn Gottlob zeichnete dann für den Start der Gute-Hoffnungshütte verantwortlich, in Oberhausen-Osterfeld, womit die Industrialisierung an der Ruhr begann.

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