Stadt erwägt Verkauf des Kulturbahnhof Eller Bedrohtes Kleinod

In der Düsseldorfer Innenstadt drängen sich Museen, Galerien und Ausstellungsräume auf engstem Raum. Geht man weiter an die Peripherie, sinkt das Angebot in Sachen Bildende Kunst beinahe auf null. Eine erfreuliche Ausnahme bildet seit über 30 Jahren der Kulturbahnhof Eller. Der Ausstellungsraum ist das Lebenswerk zweier Kunsterzieher, die mittlerweile im Ruhestand sind: Gerolf und Ilsabe Schülke.

 Ungewisse Zukunft: Kulturbahnhof Eller.

Ungewisse Zukunft: Kulturbahnhof Eller.

Foto: Petra Suzuki

Bereits seit einigen Jahren sind die beiden in Sorge. Sie fürchten, dass die Stadt die Immobilie an einen Investor verkaufen könnte. Droht hier der nächste mit viel Liebe und Eigenengagement etablierte Kulturort zu verschwinden?Um ihre Position zu verdeutlichen, haben die Schülkes zum Gespräch in den ehemaligen Wartesaal geladen, der Mitte der 1980er Jahre zum Ausstellungs- und Veranstaltungsraum umfunktioniert wurde. 140 Quadratmeter mit hohen Decken und einem alten Holzdielenboden. Solche Orte findet man in Leipzig oder Berlin – in Düsseldorf hingegen sind sie Mangelware. Die hohen Sprossenfenster sind mit einem Sichtschutz versehen, den Ilsabe Schülke genäht hat. Dahinter rattern regelmäßig S-Bahnen und Züge vorbei. Das Bahnhofsgebäude stammt aus dem Jahr 1872. Rund 100 Jahre lang wurde es von der Bahn genutzt, dann gab sie es auf.

Die Schülkes wurden Mitte der 1970er Jahre auf den Bau aus dem 19. Jahrhundert aufmerksam. Sie mieteten die obere Etage, um darin als Künstler zu arbeiten. „Das Gebäude gehörte zu der Zeit noch der Bahn“, erinnert sich Gerolf Schülke. „Es hieß damals, dass es abgerissen werden sollte.“ Das Lehrerpaar erkannte das Potenzial des Gebäudekomplexes und wandte sich an den Landkonservator Rheinland in Bonn. Der sollte prüfen, ob das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden könnte. „Tatsächlich wurde es das dann auch“, sagt Ilsabe Schülke.

1984 kaufte die Stadt Düsseldorf das Bahnhofsgebäude. Zu dem Zeitpunkt hatten die Schülkes in ihren Ateliers bereits mehrere gut besuchte Ausstellungen realisiert, um die Eignung des Gebäudes als Kulturinstitution und den Bedarf zu belegen. „Anfangs haben wir zusätzlich zu unserer Arbeitskraft auch viel eigenes Geld in den Kulturbahnhof gesteckt. Wir wurden ja nicht von Anfang an gefördert und wenn, dann höchstens projektbezogen“, so Gerolf Schülke. Mittlerweile ist das anders. Mit 51.000 Euro bezuschusste das Kulturamt die Institution in 2019. Sechs Ausstellungen waren im vergangenen Jahr in Eller zu sehen. Dazu kommt das Sommeratelier. „Das gibt es auch schon seit 25 Jahren“, sagt Ilsabe Schülke. Bewerben kann man sich dafür nicht. Die Künstler werden vielmehr von den Schülkes gezielt eingeladen.

Auch das Kuratieren übernehmen in erster Linie die beiden ehemaligen Lehrer. Das Programm des Kulturbahnhofs Eller ist abwechslungsreich. Es umfasst den gesamten Bereich der Bildenden Künste – von Fotografie über Zeichnung, Malerei, Grafik bis zur Architektur. Daneben widmet man sich von Zeit zu Zeit historischen oder sozialen Themen, wie etwa in der Ausstellung über Düsseldorfer Siedlungen und Wohnbauten der 1920er Jahre. Die Themen wechseln deutlich von einer Ausstellung zur folgenden, aber die Themenstränge tauchen in gewissem Abstand wieder mit neuem Inhalt auf. „Ein Jahresprogramm muss als Ganzes genau so sorgfältig komponiert werden wie eine einzelne Ausstellung“, erklärt Gerolf Schülke. Seine Frau und er haben in den vergangenen Dekaden häufig ein gutes Gespür für Ausstellungsthemen wie auch Künstler bewiesen. Manch ein Künstler, der hier erste Gehversuche unternahm, hat heute selber eine Professur inne. Die beiden Künstler, die vor einem Vierteljahrhundert zum allerersten Sommeratelier eingeladen wurden, leiten seit langem die Kunstakademie Münster.

Könnte also alles gut sein in Eller. Wäre da nicht der Sanierungsbedarf des mittlerweile fast 150 Jahre alten Gebäudes. Sowohl im Sanitärtrakt auf der rechten Seite als auch im linken Anbau sind bereits Stützpfeiler angebracht. Die Stadt hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Kosten für die Sanierung auf 2,1 Millionen Euro schätzt. Eine Summe, die Gerolf Schülke nicht für realistisch hält. Ebenso wenig wie die Kulturverwaltung die Summe von 320.000 Euro, die das vom Förderverein des Kultur Bahnhofs Eller 2017 in Auftrag gegebene Gutachten ergeben hat. Um diese Investition, wie hoch auch immer sie nun sein mag, zu umgehen, könnte die Stadt das Gebäude veräußern.

Die Kulturverwaltung bestätigt auf Anfrage unserer Redaktion, dass es entsprechende Überlegungen gibt. Sie schreiben: „Vor dem Hintergrund der hohen Sanierungsbedarfe in allen Kulturgebäuden hat die Politik die Verwaltung beauftragt zu prüfen, ob das ein oder andere kulturell genutzte Gebäude veräußert werden kann. In diesem Zusammenhang wird auch die Veräußerung des Kulturbahnhofs Eller geprüft.“ Zur politischen Meinungsbildung, so weiter, solle im ersten Schritt Anfang 2020 eine Informationsvorlage in den Fachausschuss eingebracht werden, welche neben dem Sanierungsbedarf die Nutzung und Bedeutung des jeweiligen Gebäudes für die Kulturlandschaft in dieser Stadt darstellt.

Derzeit, so die Information der Kulturverwaltung, gebe es keinen Kaufinteressenten für das ehemalige Bahnhofsgebäude. Ein Verkauf müsste ohnehin zunächst vom Stadtrat beschlossen werden. Gerolf Schülke ist sich aber sicher: „Sobald ein Verkaufsbeschluss für das Gebäude vorliegt, wird auch ein Investor auf der Matte stehen.“ 2017 gab es bereits einen Interessenten. Das bestätigt auch die Kulturverwaltung. Laut einem Zeitungsbericht wollte der den roten Kernbau in Büros für Start-up-Firmen umwandeln. Realisiert wurden diese Pläne letztendlich nicht. Der Verkauf kam nicht zustande.

Kurz vor Weihnachten bekamen die Schülkes Post von Kulturdezernent Hans-Georg Lohe. Er gehe davon aus, dass Anfang 2020 eine politische Entscheidung über die Zukunft des Kulturbahnhofs getroffen werde, schrieb Lohe. Aus der Kulturverwaltung heißt es, dass im Fall eines Verkaufs „in jedem Fall eine kulturelle Nutzung sicherzustellen ist“. Die Schülkes schlafen trotz derartiger Zusagen kein bisschen ruhiger. „Wir machen da auf keinen Fall mit, wir sind nicht der Förderverein eines privaten Investors“, sagt Gerolf Schülke.

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