1. Düsseldorf

Helge Schneider im Interview

"Ich rebelliere gegen mich selbst" : Helge Schneider im Interview

Gaga-Songs wie "Katzeklo" und "Es gibt Reis, Baby" machten Helge Schneider zu einem der beliebtesten Komiker der Deutschen. Die aktuelle Hallentour des philosophierenden Musikclowns steht unter dem Motto "Ordnung muss sein!

". "jetzt! Düsseldorfer Anzeiger am Wochenende" traf Helge Schneider in dessen Heimatstadt Mülheim an der Ruhr zum Gespräch über Dichtung und Wahrheit

Herr Schneider, Sie gehen wieder auf Tour und verlangen: "Ordnung muss sein!". Steckt in Ihren fantastischen Geschichten eigentlich ein Kern von Wahrheit?
Meine Geschichten stimmen. Sie wirken so überzogen, dass man sie nicht glaubt, aber die Grenze zur Realität wird von mir eher unterschritten. Zum Beispiel könnte die Geschichte, in der ich mit Reinhold Messner durch die Antarktis ziehe, wirklich passiert sein — aber nicht in dieser überhöhten Form. Als Musiker und Erzähler ist man auch Dichter. Für mich ist die Dichtung eine große Angelegenheit, weil sie mit wenig Worten Gefühle ausdrückt. Ein Romanschriftsteller braucht dafür viele, viele Seiten.

Sind Sie sehr selbstkritisch?
Ja. Meine Texte kommen mir manchmal sehr hanebüchen vor. Aber wenn ich sie dann aus einer anderen Warte betrachte, bin ich von den Socken. Alles, was ich singe und erzähle, habe ich dem Leben abgeguckt. Das könnte ich gar nicht erfinden. Wie zum Beispiel die Geschichte vom Schönheitschirurgen, der in seiner Garage praktiziert und eigentlich Klempner ist. Da kommen alle hin, bloß weil da ein Emailleschild steht: "Schönheitschirurg. Alle Kassen". So ist ja unser Leben, es wird unheimlich viel mit Etiketten geschummelt. Solche Geschichten sind nicht abwegig.

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Was sind die Erfolgserlebnisse bei Ihrer Arbeit?
Wenn das Konzert gut ist. Ausverkauft spielt für mich keine Rolle. Wenn auf der Bühne alles stimmt und gleichzeitig ein bisschen unstimmig ist. Heute zum Beispiel bei dieser kleinen Vorführung ging alles drunter und drüber. Gleithmann hat nix gehört und wollte schon losgehen. Da rufe ich ganz laut: "Hey, bleib stehen!" Plötzlich fängt die Band an zu spielen, und ich will die Nebelmaschine anmachen. Die geht aber nicht. Und dann fährt der Carlos los und Gleithmann geht hinterher. Ich hatte gerade "Tatütata" auf dem Saxofon gespielt, und die Nebelmaschine geht immer noch nicht. Und dann kommen wir raus und sagen den Satz: "Pflaumenmus — die Tour zum Mus". Er ist unheimlich schwer auszusprechen. Das war alles völlig unvollkommen — aber echt nicht schlecht. Für mich ein Erfolgserlebnis.

Was wollen Sie heute mit Ihrer Arbeit vermitteln?
Freiheit. Spaß. Vor 30 Jahren war ich noch etwas verbissener. Nach dem Motto: Ich mache jetzt etwas, was viele nicht verstehen. Heute ist mir das egal, weil ich in mir selber gewachsen bin. Es verstehen jetzt auch mehr, weil sie mehr zuhören. Früher sagte man immer, der Schneider polarisiert.

Was meinen Sie mit "Ordnung muss sein"?
Ich meine damit nicht, dass die Straßen schön gefegt sein müssen. Wenn man die Chance hat, eine innere Ordnung zu haben, dann hat man auch Platz für seine Mitmenschen, damit man offen ist für die Umwelt.

Waren Sie schon mal kurz vor einem Burnout?
Nein, dazu bin ich zu faul. Wenn mir ein Weg zu weit ist, nehme ich mir einen Chauffeur, setze mich hinten ins Auto und kann da schlafen. Mein Beruf ist so, dass ich nicht ängstlich irgendetwas vorbereite und das dann auf der Bühne reproduziere. Sondern ich lebe auf der Bühne. Das ist ein großer Vorteil. Leute wie Helene Fischer dagegen müssen üben. Das könnte ich nicht, weil meine Persönlichkeit dagegen spricht.

Ist es vor allem das Lachen, was Sie in Ihrem Beruf glücklich macht?
Auf jeden Fall. Lachen ist ja auch die beste Medizin. Man darf aber nicht erwarten, dass das Publikum lacht, weil man jetzt hier ist. So läuft es nicht. Es ist eigentlich eine ganz coole Sache. Mich irritiert, wenn ich im Fernsehen manchmal Comedians sehe, die ihre Sachen gar nicht selber erfinden, sondern Texte von Autoren auswendig lernen. Ich finde, der Mensch muss an die Kunst geheftet sein. Deshalb improvisiere ich auch.

Sind Sie ein Rebell?
Ich glaube, ja. Ich rebelliere gegen mich selbst und gegen das, was ich gelernt habe. Gegen das Spießige, was man so von zu Hause mitbekommen hat. Gegen das, was man in den 1950er-Jahren gelernt hat — diese Obrigkeitshörigkeit. Dagegen gehe ich mein Leben lang an.

14.+15.2., 20 Uhr, Tonhalle, Ehrenhof 1, Düsseldorf