Die Chance, Neues zu entdecken Hauschka im Interview

Der in Düsseldorf lebende Komponist und Pianist Volker Bertelmann, der seine Werke vor allem unter dem Künstlernamen Hauschka einspielt, wurde unter anderem durch seine mit Hilfe präparierter Klaviere entstandenen Instrumentalstücke und seine Filmmusik bekannt.

 Neues Album: Volker Bertelmann alias Hauschka

Neues Album: Volker Bertelmann alias Hauschka

Foto: Gregor Hohenberg

Im Februar erscheint sein neues Album "A different forest", aber auch das von ihm initiierte und kuratierte "Approximation Festival" geht in eine neue Runde. "jetzt! Düsseldorfer Anzeiger am Wochenende" sprach mit Volker Bertelmann.

Herr Bertelmann, Sie sind sehr beschäftigt. Wo erreichen wir Sie gerade?
Ich sitze an meinem Klavier und arbeite an der Serie "Im Namen der Rose".

Ein Indiz für Ihre Tätigkeit als Komponist von Filmmusik. Dafür erhielten Sie zahlreiche Nominierungen, für den Oscar etwa und den Golden Globe. Setzt Sie das unter Druck?
Eigentlich nicht. Aber man wird auf ein Plateau gehoben und muss schauen, ob das eine längere Halbwertzeit hat. An die Wirkung des Preises muss man sich gewöhnen. Man muss es als eine Honorierung verstehen, die die Möglichkeit gibt, von da an für qualitativ hochwertige Dinge zu stehen. Und man kommt plötzlich in Frage für Dinge, die man vorher nie für möglich gehalten hat. Im weitesten Sinne ist eine Oscar-Nominierung also so etwas wie ein Qualitätssiegel. Das bedeutet aber nicht, dass man anschließend nur noch qualitativ Hochwertiges erarbeiten darf oder Musik für große Filme schreibt. Es bedeutet vielmehr, dass, wenn die Frage besteht, ob der Nominierte diese Aufgabe übernehmen könnte, die Leute nicht mehr behaupten, dass er das nicht könne. Vorher habe ich diese Aufgaben auch schon übernommen, ich hatte nur noch nicht das Siegel. Im weitesten Sinne ist das absurd.

Ihre aktuelle Platte weist einige Unterschiede zu den Vorgängeralben auf: Sie verzichteten auf eine Präparation des Pianos und haben ihre Kompositionen zuvor nicht niedergeschrieben.
Ich habe das Klavier immer schon als reines Instrument geschätzt und damit auch schon zuvor für mich ganz ohne Präparation Musik gemacht. Für meine 2004 veröffentlichte Platte "Substantial" wollte ich auch elektronische Elemente in der Musik haben und habe überlegt, wie ich die mit einem Piano in Verbindung bringen kann. Eigentlich bin ich bei dieser Umsetzung auf die Präparationen des Pianos gestoßen. Ich habe dann gemerkt, dass es für mich eine unglaublich gute Möglichkeit ist, einen eigenen Stil zu entwickeln. Das hat sich über zwölf Alben entwickelt. Ich veröffentlichte aber schon mit der Platte "Abandoned City" erste kleine Klavierstücke ohne Präparation und merkte, dass es wichtig ist, die Spezialisierung auf Präpariertes Klavier für mich zu öffnen und das Spektrum zu erweitern.

Und die Tatsache, instant compositions einzuspielen war eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema "Stegreifkomposition"?
Eigentlich bin ich grundsätzlich jemand, der mit Improvisation anfängt. Ich habe auch zuvor nie Kompositionen auf Notenpapier aufgeschrieben. Meistens sind es Dinge, die aus dem Gefühl heraus entstehen. Und gerade bei der neuen Platte habe ich zunächst in einer Tonart angefangen und mich dann beim Selektieren, beim Hören für die stärksten Stücke entschieden.

Das neue Album besitzt einen gewissen philosophischen Überbau. Liest man die Pressemitteilung, so liest man viel von Absichtslosigkeit im Sinne der Kompositionen, man liest von musikalischen Reisen und klingenden Ideen, die vom Wandern in Wäldern inspiriert sind.
Grundsätzlich ist es für mich immer sehr schwierig, sobald man Dingen - musikalisch, aber auch sich selbst - einen Inhalt gibt. Das hat heute einen unnatürlichen, fast esoterischen Ansatz.

Wie kommt es denn zu Ihrer Begeisterung fürs Laufen und Wandern in Wäldern?
Ich bin aufgewachsen in einer dörflichen Umgebung, der Wald war nur 200 Meter entfernt. In meiner Familie wurde stets praktiziert, mit Proviant und einer Thermoskanne in den Wald zu gehen und dort den ganzen Tag zu laufen. Das hat zu einem Gefühl geführt, das mich sehr glücklich gemacht hat. Sowohl körperlich als auch geistig, einfach, weil ich mich frei gefühlt habe. Überdies sollte die Verbindung zur Natur eigentlich selbstverständlich sein, der normale Bestandteil eines menschlichen Lebens. Mittlerweile leben wir aber häufig in einem sehr unnatürlichen Zusammenhang. Als ich die Platte einspielte, wollte ich dem Gefühl dieser Erinnerung nachgehen. Das gleiche Gefühl habe ich aber heute auch, wenn ich zum Beispiel früh morgens im Covent Garden in London unterwegs bin. Während die meisten Menschen noch schlafen, werden dann vielleicht Gebäude zu Bäumen, man ist umgeben von Skulpturen aus Stein. Ich stehe dann zwar in einer Stadt, aber sie ist leise. Ganz wichtig ist, dass es bei der Musik nicht um eine Überromantisierung — auch nicht der Natur — geht.

Also geht es vielleicht auch um die Abwesenheit von Menschen?
Das ist auch ein Aspekt. Es geht aber auch um die Betätigung, die man so nur zu bestimmten Zeiten in der Stadt erleben kann. Insbesondere Naturräume haben aber oft auch eine Abkopplung von Zivilisation. Und ich glaube, dass man sich als Naturwesen auch hin und wieder in einem solchen Raum bewegen muss, statt nur ein weiteres Modul in einem funktionierenden System zu sein.

In Düsseldorf engagieren Sie sich seit vielen Jahren mit Ihrem "Approximation Festival" für eine musikalische Weiterentwicklung.
Die ursprüngliche Idee war eigentlich nicht die Idee eines Festivals. Die Idee war, mit Menschen zusammenzukommen, die ähnliche Musik machen wie ich, die ich aber nicht alle gleichzeitig sehen konnte. Die ersten Konzerte spielten Kollegen von mir, die heute alle sehr erfolgreich sind, etwa Max Richter oder der leider verstorbene Johann Johannsson. Zu dieser Zeit war es noch kein Festival, es war eine Konzertreihe. Trotzdem stellte man mir die Frage, ob ich das nicht weitermachen wolle. Immer aber mit der Option, das nur noch einmal mal zu machen. Und genau das ist eigentlich ganz schön, denn man ist dadurch recht frei. Es gab aber immer wieder auch Momente, in denen ich gezweifelt habe. Es ist anstrengend, die richtigen Leute zu finden und die Finanzierung zu realisieren — das waren Fragen, die mich mitunter zweifeln ließen.

Was erwartet denn die Besucher des "Approximation Festivals"?
Was mir gefällt ist, Grenzgänger einzuladen. Viele der Menschen, die wir einladen, sind der großen Masse nicht bekannt. Trotzdem sind es Musiker, die total inspirieren. Dabei ist es wichtig, dass es eine Mischung aus beidem ist: Musiker, die man entdecken muss und solche, die zumindest bei interessierten Musikliebhabern bereits etabliert sind. Es geht bei dem Festival also darum, Menschen die Möglichkeit zu geben, Musik zu entdecken. Und auch für die eingeladenen Musiker ist das interessant, denn einige wurden anschließend zu weiteren Festivals in Europa eingeladen und haben eine Karriere gemacht.

Sie eröffnen damit also nicht nur den Besuchern die Möglichkeit, Neues zu entdecken, sondern leisten auch Unterstützung für die eingeladenen Musiker?
Das empfindet vielleicht nicht jeder Musiker so, aber mir haben diese Einladungen immer sehr geholfen. Am Anfang war ich hin und wieder skeptisch, dachte, dass es bei diesen Konzerten, zu denen ich eingeladen wurde, sehr leer und einsam würde. Später aber bemerkte ich, dass die kleinen Konzerte sehr viel bewirkt haben. So ist es mir kürzlich in Athen ergangen: Ich spielte dort in einem großen Konzertsaal vor gut 2.000 Menschen, einige kannten mich aber noch von meinem allerersten Konzert in einem kleinen Club vor 60 Zuhörern. Mittlerweile kommen sie sogar mit ihren Kindern, die damals noch nicht geboren waren, zu den Konzerten. Das ist toll.

Für beides, die Etablierung Ihres Festivals und Ihrer eigenen Musik, brauchten Sie einen langen Atem, richtig?
Man braucht Geduld und muss vor allem bei einer solchen Arbeit die Menschen finden, die das Ganze aus Überzeugung unterstützen. Das ist nicht sehr einfach zu finden. Man braucht Menschen, die einem aus tiefstem Herzen helfen zu wachsen. Menschen, die einen an die Hand nehmen. Ohne diese Menschen kommt man nicht weiter. Und viele Dinge brauchen einfach richtig viel Zeit.

7.-9.2. Filmwerkstatt, Birkenstr. 47 und Kunsthalle, Grabbeplatz 4, Düsseldorf

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