1. Düsseldorf

Düsseldorf: Wladimir Kaminer liest und lädt zur Russendisko

Wladimir Kaminer : Hits aus dem Imperium des Bösen

Der Schriftsteller Wladimir Kaminer dürfte derzeit Hochkonjunktur haben. Das hat er eigentlich immer, seit er Anfang der Neunziger Jahre damit begann, Bücher zu schreiben. Aber momentan sind ob der Fußball-WM in Russland händeringend Experten gefragt, die den Deutschen jenes Land erklären, das schon seit einigen Jahren dabei ist, den eisernen Vorhang wieder zuzuziehen.

Und diesen Job kann ja nicht immer Palina Rojinski übernehmen.

Nein, Wladimir Kaminer ist dafür der perfekte Mann. Wie er für so vieles der perfekte Mann ist. Fürs Bücherschreiben. Für Lesungen. Für Talk Shows, Interviews und fürs Filmemachen. Nicht zuletzt macht der Mann, der eine gewisse optische Ähnlichkeit mit George Clooney nicht leugnen kann, auch am Plattenteller eine bella figura. Kaminer hat knapp die Hälfte seines Lebens in Russland verbracht. Und mehr als die Hälfte in Deutschland. Geboren wurde er in Moskau, 1967 und damit zu einer Zeit, da in dem Land, das damals noch unter Sowjetunion in Atlanten zu finden war, niemand auch nur von einem Gorbatschow und Glasnost zu träumen wagte. 1990, noch vor dem endgültigen Zerfall der Sowjetunion, verließ Kaminer seine Heimat und ging nach Berlin, wo er bis heute lebt. Vom Stadtteil Prenzlauer Berg aus beobachtet er seitdem aufmerksam seine neue wie auch die alte Heimat. Was macht die deutsche und die russische Seele aus? Wie unterschiedlich agieren Russen und Deutsche? Und worin sind sie einander vielleicht ähnlicher, als sie selber denken? Das sind die Fragen, über die Kaminer sinniert und aus denen er seit den frühen Neunzigern unzählige Bücher gezimmert hat. So viele, dass man auf die Idee kommen könne, er beschäftige irgendwo in einem Berliner Co-Working-Space zahllose russische Ghostwriter damit, in seinem Namen zu schreiben.

Seiner kaukasischen Schwiegermutter hat Kaminer ein eigenes Buch gewidmet. Ebenso wie seinem Onkel Wanja. Dem Sex, den es angeblich im Sozialismus nicht gibt. Seinen Garten vor den Toren Berlins. Seiner Mutter, ihrer Katze und dem Staubsauger. In seinem jüngsten Werk widmet er sich dem Thema, das derzeit droht, die hiesige Gesellschaft in zwei Lager zu spalten: den Geflüchteten. In "Ausgerechnet Deutschland: Geschichten unserer neuen Nachbarn" beobachtet der, der einst selbst zuzog, wie die, die ihm mehr als 25 Jahre später folgen, das Land verändern. Wie das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Kulturen zahllose Geschichten hervorbringt. Geschichten, die er nur aufschreiben muss. Wie die von einem Zuckerbäcker aus Damaskus, der mit seinen Kreationen auf Rügen scheitert, von schockierten muslimischen Asylbewerbern, die Wladimirs Sohn mit leckeren Schweineöhrchen beschenken will, oder von Syrern, die in Babelsberg als Komparsen für die Serie "Homeland" abgelehnt werden, weil Albaner "syrischer" aussehen als sie. Am Ende all dieser Betrachtungen steht die schwierige Frage: "Haben wir es geschafft?". Auch auf die, so viel ist sicher, wird Herr Kaminer eine charmante Antwort finden. Und wenn er genug gelesen und gesprochen hat, wechselt er einfach vom Lesetisch an den Plattenteller und lädt zur "Russendisko". Gemeinsam mit seinem Freund Vitali Konstantinov bringt er dann zahllose obskure Hits aus dem Imperium des Bösen unter die Leute.

! 16.6., 20 Uhr, zakk, Fichtenstr. 40, Düsseldorf, zakk.de, die Lesung ist ausverkauft