Palliativ-Versorgung in Düsseldorf „Die Angst können wir nehmen“

Für die gute Versorgung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase ist ein ganzes Netzwerk von Helfern notwendig. Auch die professionelle palliative Pflege gehört dazu. Wir sprachen mit Kerstin Hommel vom Pflegedienst Albatros über diese hoch spezialisierte Dienstleistung.

 Kerstin Hommel in ihrem Büro. Seit 1987 gibt es ihren Pflegedienst, seit 2006 bieten zusätzlich zur normalen häuslichen Pflege spezialisierte Mitarbeiter auch die ambulante palliative Pflege an. „Für mich ist es immer wichtig, nicht nur den betroffenen, pflegebedürftigen Menschen, sondern auch die Angehörigen in alles einzubeziehen.“

Kerstin Hommel in ihrem Büro. Seit 1987 gibt es ihren Pflegedienst, seit 2006 bieten zusätzlich zur normalen häuslichen Pflege spezialisierte Mitarbeiter auch die ambulante palliative Pflege an. „Für mich ist es immer wichtig, nicht nur den betroffenen, pflegebedürftigen Menschen, sondern auch die Angehörigen in alles einzubeziehen.“

Foto: ho

Frau Hommel, der Krankenpflegedienst Albatros ist kein gewöhnlicher Pflegedienst, oder?
Nein, eigentlich nicht. Uns gibt es seit 1987. Damals haben wir ausschließlich normale Pflege angeboten. 2006 wurde ich gefragt, ob wir nicht im Palliativ-Netzwerk mitarbeiten möchten. Daraufhin haben wir uns zusätzlich auch palliativ aufgestellt.

Es gibt in Düsseldorf nur zwei ambulante Dienste, die sich auf die Palliativversorgung verstehen. Ihren und das Palliative Care Team (PCT) Düsseldorf. Stimmt das?
Das ist richtig.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie?
42. Wir haben sieben ausgebildete Palliativ-Care-Kräfte. Die anderen sind normale, examinierte Gesundheitspfleger, Altenpfleger, Pflegehelfer.

Wir finden den Begriff unglaublich sperrig. Wie würden Sie die palliative Versorgung beschreiben?
Wenn die heilende Medizin aufgehört hat zu wirken, kommt der Palliativ-Mediziner ins Spiel. Der versucht, diesem unheilbar erkrankten Menschen alle Symptome seiner Erkrankung zu nehmen. Das geschieht mit Medikamenten, aber auch mit einem Netzwerk von beteiligten Menschen — beispielsweise vom Hospiz- und vom Pflegedienst. So wird sichergestellt, dass die Zeit, die bleibt, noch Lebensqualität hat. Der Patient ist dann frei von Symptomen und kann vieles machen, das vorher nicht möglich war.

Inwiefern unterscheidet sich Ihre Arbeit eigentlich vom ambulanten Hospizdienst?
Der ambulante Hospizdienst ist Teil unseres Netzwerks, macht aber etwas ganz anderes. Er begleitet die Menschen psychologisch und sozial. Wenn diese das denn in Anspruch nehmen wollen. Wenn wir als Palliativ-Pflegedienst oder der Palliativ-Arzt gerufen werden, versuchen wir stets, eine Begleitung durch den Hospizdienst dazuzubekommen. Und wir freuen uns immer, wenn die Betroffenen und ihre Angehörigen dieses Angebot tatsächlich annehmen.

Weil die Situation so schwierig ist?
Genau. Das Wort Hospiz ist ja schon problematisch. Da schwingt der Gedanke ans Sterben mit. Ich sage immer: Wir bieten Ihnen eine kostenlose, ehrenamtliche Begleitung an. Diese Begleitung kann ein Gesprächspartner sei, auch nur bloße Anwesenheit. Oder man spielt schlichtweg Gesellschaftsspiele. Das ist gut für den Patienten und seine Angehörigen. Das hilft aber auch uns als Pflegedienst. Auch meine Mitarbeiter werden täglich bei der Pflege und medizinischen Versorgung mit der psychosozialen Komponente konfrontiert. Aber uns fehlt die Zeit, das auch aufzufangen.

Die meisten Menschen sterben immer noch im Krankenhaus und nicht zu Hause. Ist Ihr Angebot zu unbekannt?
Zum Einen gibt es zu wenig Dienste. Sie haben es eben selbst angesprochen. Wir haben in Düsseldorf nur zwei. Da fehlen also Kapazitäten. Zum Anderen ist das Angebot relativ unbekannt. Über alles, was mit dem Sterben zu tun hat, wird einfach nicht gerne geredet.

Haben Sie den Eindruck, dass Sie oftmals zu spät hinzugezogen werden?
Fast immer!

Woran liegt das?
Man möchte sich der Situation nicht stellen. Und es wird bis zum Letzten versucht, es "irgendwie hinzukriegen". Wir kommen meistens in der Phase dazu, in der die Menschen nur noch fünf oder sechs Wochen leben. Da können Sie nicht mehr viel machen. Wenn ich so einen Anruf bekomme, heißt das: Ich muss schnellstmöglich das Netzwerk aktivieren.

Das heißt, Sie sind schon eine Art Feuerwehr in dieser Situation?
Ja, absolut. Nur ist das ja eigentlich nicht der Gedanke der Palliativ-Medizin. Schon wenn jemand erfährt, dass er unheilbar erkrankt ist, sollte er wissen, wen er ansprechen kann. Gemeinsam bereitet man dann alles vor und wird auf seinem Weg begleitet. Das ist etwas ganz anderes, als noch schnell einzuspringen. Gerade eben hatte ich wieder so einen Fall. Der Patient wird in zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen. In kürzester Zeit müssen jetzt Hilfsmittel beschafft werden. Ein Bett. Vielleicht ein Toilettenstuhl. Hier ist das Netzwerk wieder entscheidend.

Wir haben den Eindruck, dass die Angst vorm Sterben noch nie so groß war wie heute. Vor allem die Angst vor Schmerzen und davor, nicht mehr Herr der Lage zu sein. Können Sie aus Ihren Erfahrungen heraus solche Ängste verringern?
Ja! Diese Angst legt sich spätestens, wenn die Betroffenen Hilfe in Anspruch nehmen. Und zwar durch das ganze Netzwerk. Es kommt dann tatsächlich die Phase, in der sie damit umgehen können, weil sie keine Symptome mehr haben. Die können wir Ihnen nehmen. Wir können Ängste nehmen, wenn Patienten und Angehörige bereit sind, die Hilfe anzunehmen und das Gespräch zu suchen. Wir nehmen Betroffenen und Angehörigen ab, was wir abnehmen können. Und die meisten Menschen fühlen sich sehr viel sicherer, wenn sie merken: Es geht ja zu Hause.

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