Immer Arbeiterstadt Sebastian Brück über das Dorf

Für unsere Serie "Stadtgespräch" sprechen wir mit Düsseldorfern darüber, wie sie ihre Stadt sehen, was sie an ihr schätzen — und was nicht. Diesmal war Sebastian Brück unser Gesprächspartner. Brück ist Journalist, Autor und Blogger.

 Flaniert gerne an der Düssel, auch entlang der Karolingerstraße: Sebastian Brück.

Flaniert gerne an der Düssel, auch entlang der Karolingerstraße: Sebastian Brück.

Foto: Markus Luigs

Seit 2014 flaniert er an der Düssel entlang und schreibt über diese stets sehr kurzen Etappen auf seinem Blog Düssel-Flaneur.

Sie sind gebürtiger Kölner, haben Ihre Kindheit und Jugend in Düsseldorf verbracht. Später haben Sie in Barcelona, Stockholm, Stuttgart und Hamburg gelebt. Was hat Sie dann wieder zurück nach Düsseldorf verschlagen?
Die Liebe. Auf einem Heimatbesuch in Düsseldorf habe ich 2002 meine Frau kennen gelernt. Ich bin dann aber zunächst von Hamburg nach Köln-Ehrenfeld gezogen, weil ich unbedingt auch mal als Erwachsener in meiner Geburtsstadt leben wollte. Später sind wir dann aus beruflichen Gründen doch wieder in Düsseldorf gelandet.

Heute leben Sie im Stadtteil Itter. Das ist ja ein sehr ruhiges, ländliches Viertel. Es gibt kaum Einkaufsmöglichkeiten, wenig Gastronomie oder Einzelhandel. Klingt so, als wäre ihr Wohnort meilenweit vom Düsseldorf-Klischee entfernt.
Ja, das stimmt. Wenn Menschen von außerhalb an das vermeintlich typische Düsseldorf denken, stellen sie sich vermutlich alles andere vor als diese dörfliche Idylle — was ja durchaus kurios ist. Immerhin kann man von Itter aus den Rheinturm am Horizont sehen. Da weiß man, dass man noch in der Stadt ist.

Lassen Sie uns mal von Itter auf die ganze Stadt kommen. Die ist ja mit ziemlich vielen Klischees belegt: aufgespritzte Damen, PS-starke Autos und Champagner ohne Ende. Wo in der Stadt findet man das lebende Düsseldorf-Klischee?
Ich frage mich gerade, ob es überhaupt eine deutsche Stadt gibt, die stärker mit Klischees belastet ist. Selbst Leute, die noch nie hier gewesen sind, haben sofort diese Schickimicki-Bilder im Kopf. Allerdings halte ich all das für stark übertrieben. Ich würde sogar die These aufstellen, dass heutzutage eher Leute von außerhalb als Einheimische die Klischees am Leben erhalten. Die Stadt zieht offenbar Leute an, die Düsseldorf-Klischees erfüllen, sei es als Touristen oder Zugezogene. Man sieht sie natürlich am ehesten auf der Kö, hier und da auch in Oberkassel.

Und wo sieht die Stadt Ihres Erachtens so gar nicht nach Düsseldorf aus?
Mich nerven die klassischen Vorurteile gegen Düsseldorf, weil sie der Stadt nicht gerecht werden. Ich möchte mich da eigentlich gar nicht mehr drauf einlassen. Düsseldorf ist und war auch immer eine Arbeiterstadt, und es gibt hier neben der Vorzeige-Architektur und den Szenevierteln jede Menge abgerockte und "dreckige" Ecken, so wie in jeder Großstadt. Gerade die zu entdecken, ist ja eigentlich viel spannender. Sehr schön erleben kann man das zum Beispiel auf dem Fotoblog von Markus Luigs, den Düsseldorfer Perlen.

Welche drei Plätze zeigen Sie einem Ortsfremden, wenn Sie mit Düsseldorf angeben wollen?
Ein Besuch auf dem Rheinturm ist Pflicht: Um erst einmal einen Überblick zu bekommen. Ansonsten hängt es natürlich auch von den Interessen der Person ab. Was in jedem Fall passt: Bei Unbehaun auf der Aachener Straße das beste Eis der Welt essen. Außerdem schlage ich gerne einen Spaziergang über die meiner Meinung nach schönste Allee der Stadt vor: Die Karolingerstraße in Bilk, mit unserem namensgebenden Flüsschen in der Mitte. In Reiseführern findet man die eher selten.

Düsseldorf ist eine Stadt, die sich gerade rasant verändert, gerade im Zentrum und rund um den Bahnhof. Vielerorts entstehen Hotels oder Wohnraum, der für viele nicht bezahlbar ist. Setzt die Stadt da die richtigen Akzente?
Vermutlich liegt in der Gentrifizierung allgemein eine Eigendynamik, die auch die Politik nur bedingt steuern kann. Ich würde mir aber sehr wünschen, dass die Stadt noch mehr dafür sorgt, dass günstige Mietwohnungen in den innenstadtnahen Vierteln erhalten oder neu gebaut werden. Münchner Verhältnisse, wo selbst Leute mit gutem Gehalt in die Peripherie ziehen müssen, weil die Mieten in der Stadt zu hoch sind, sind auf gar keinen Fall erstrebenswert.

Welchen Aspekt der Stadt sollte Düsseldorf Tourismus bei der Vermarktung Düsseldorfs stärker nach vorne stellen?
Düsseldorf müsste seine weltweit einmalige Geschichte zwischen Kraftwerk, Krautrock, Punk und New Wave aus den 70ern und 80ern noch viel mehr in Szene setzen, natürlich nicht ohne parallel auch die aktuelle Szene zu würdigen. Glücklicherweise passiert in dieser Hinsicht inzwischen etwas: Touristen können mit der "Sound of #Urbanana"-Web App pophistorische Streifzüge unternehmen. Aber da geht noch viel mehr. Ich werde ja nicht müde, die Idee eines Popmuseums zu propagieren, das thematisch auch Köln und das Ruhrgebiet mit abdecken könnte. Das wäre dann der nächste Schritt, um aus einer Würdigung der Vergangenheit Raum und Aufmerksamkeit für Neues zu schaffen, mit integrierten Probe- und Auftrittsräumen.

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